[06|16] Als wir vor einigen Wochen vom Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Verpackungsinstituts (DVI) wissen wollten, wie sich die »Verursacher« der gesellschaftlichen Debatte rund um Verpackungsabfälle stellen, fielen die Antworten nur bedingt (selbst)kritisch aus. (siehe Beitrag ). Einen etwas anderen Blick auf Umverpackungs-Herausforderungen unserer Zeit wirft der Recycling- und Verpackungsexperte Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Für Magazin für Restkultur stellt er fünf ausgewählte Aussagen aus unserem Interview mit dem DVI in Frage – und zur Diskussion.
Das vollständige Interview mit dem Verbandsvorsitzenden des Deutschen Verpackungsinstituts ist unter »Kritik an Verpackungen: Was sagt eigentlich die Industrie dazu?« zu finden.

Deutsche UmwelthilfeKein Land in Europa verursacht zur Zeit mehr Verpackungsabfall als Deutschland. 213 Kilogramm sind es bei uns pro Kopf und Jahr – 20 Prozent mehr als im europäischen Durchschnitt. Zum Vergleich: In Frankreich sind es 185, in Österreich 150 und in Schweden sogar nur 109 Kilogramm. In Deutschland läuft etwas gewaltig schief. Die Menge an Verpackungsmüll wächst seit 2009 unaufhaltsam und hat sich allein bei Kunststoffverpackungen in den letzten Jahren um ein Drittel erhöht. Die pro Jahr in Deutschland anfallenden Plastikflaschen würden aufeinandergestellt 16 Mal von der Erde bis zum Mond reichen. Für die Herstellung dieser 17 Milliarden Einweg-Plastikflaschen werden dabei mehr als 665.000 Tonnen Rohöl verbraucht.
Deutsche UmwelthilfeVerpackungen sollen heute nicht mehr nur das Produkt schützen, sondern auch Aufmerksamkeit erregen, das Produkt in Szene setzen und dem Lifestyle der Menschen entsprechen. Gerade bei Spielzeugverpackungen wird aber oft nach dem Motto verfahren »je bunter und größer, desto höher die Aufmerksamkeit bei den Kunden«. Verpackungshersteller schaffen es bislang nicht, die hohen Verpackungsmengen durch intelligentes Design und kreislauforientiertes Ressourcenmanagement mit gesellschaftlichen Ansprüchen an nachhaltige Verpackungen in Einklang zu bringen. Niemand braucht unnütze Umverpackungen oder solche, die deutlich größer sind als das verpackte Produkt.

Deutsche UmwelthilfeGurken brauchen nicht in Schrumpffolie eingeschweißt zu werden, weil sie überhaupt nicht lange genug im Supermarkt liegen bleiben, damit eine längere Haltbarkeit Sinn ergibt. Zusätzlich wird durch den Einsatz von immer mehr Druckchemikalien, eingezogenen Folien oder Zusatzstoffen die Recyclingfähigkeit von Verpackungen immer stärker eingeschränkt.
Deutsche UmwelthilfeWenn Verpackungshersteller nun sagen, dass Verbraucher die umweltschädliche Verpackungsflut wollen und am Ende selbst dafür verantwortlich sind, dann verkennen Sie, dass Verbraucher zunehmend vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wenn es bei Aldi und Lidl ausschließlich Einweg-Plastikflaschen gibt und Coca-Cola aktuell aus dem Mehrwegsystem aussteigt, dann hat der Verbraucher häufig gar keine andere Möglichkeit mehr als Einweg einzukaufen. Einflussreiche Unternehmen sollten deshalb Verbrauchern ressourcenschonende wiederverwendbare Mehrwegalternativen anbieten und nicht nur auf eine Ex- und Hopp-Kultur setzen.

Deutsche UmwelthilfeMomentan werden nur rund 40 Prozent der gesammelten Kunststoffverpackungen recycelt. Das liegt vor allem an der niedrigen gesetzlichen Recyclingquote von nur 36 Prozent. Technisch machbar wären jedoch ohne Probleme 65 Prozent. Es gibt seit Jahren einen erkennbaren Trend zu immer kleineren Verpackungen, weil Unternehmen beim Verkauf kleinerer Portionen deutlich höhere Gewinne erzielen als mit Großverpackungen. So sind beispielsweise Kaffeekapseln auf dem Vormarsch – mit tonnenschweren Folgen für die Umwelt. Denn auf sechs Gramm Kaffee kommen circa drei Gramm Aluminium oder Kunststoff für die Einzel-Verpackung und noch mal zwei Gramm Papier für die Umverpackung. Das macht also auf sechs Gramm Kaffee stolze fünf Gramm Verpackung. Ein schlechteres Verhältnis von Füllgut und benötigtem Verpackungsmaterial kann es kaum geben. So verursacht ein Kaffee aus der Kapsel 16 Mal mehr Abfall als Kaffee aus der Großverpackung.
Wir danken Thomas Fischer für seine Einschätzungen. Das vollständige Interview mit dem Verbandsvorsitzenden des Deutschen Verpackungsinstituts ist unter »Kritik an Verpackungen: Was sagt eigentlich die Industrie dazu?« zu finden.
©Fotos: Magazin für Restkultur