»Unsere Kleidung – faire Sache?«: Eine Antwort gaben die Teilnehmer nur bedingt.

Podiumsdiskussion in Frankfurt am Main

Von links nach rechts: Berndt Hinzmann, (INKOTA-Netzwerk), Gerd Müller (Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), Tobias Schwab (Moderation, Frankfurter Rundschau), Tanja Gönner (GIZ), Thomas Voigt (Otto Group) ©Foto: Sven Bergmann
Von links nach rechts: Berndt Hinzmann, (INKOTA-Netzwerk), Gerd Müller (Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), Tobias Schwab (Moderation, Frankfurter Rundschau), Tanja Gönner (GIZ), Thomas Voigt (Otto Group) ©Foto: Sven Bergmann

  Veranstaltung | Kommentar  
Thomas Voigt, seines Zeichens Direktor für Wirtschaftspolitik und Kommunikation der Otto Group, war im Verlauf der gestrigen Podiumsdiskussion in Frankfurt/M. wiederholt daran gelegen, einer Vereinfachung des Themenkomplexes entgegenzuwirken. Und fürwahr: Es handelt sich bei den Fragen, die während der Veranstaltung »Unsere Kleidung – faire Sache?« aufgeworfen werden um vielschichtige und durch viele Marktmechanismen und -akteure geprägte Zusammenhänge. Als aber eine Boutiquebesitzerin bei der anschließenden Publikums-Fragerunde die Frage stellte, ob »sie denn etwas falsch mache, weil sie ausschließlich Kleidung anbiete, die in Europa hergestellt wird«, wusste Voigt nur mit einem knappen »Nein« zu antworten.

»Es hat sich unglaublich viel getan«
Die oben geschilderte Anekdote verkürzt vielleicht unzulässigerweise die landauf, landab rund um die Herstellungsbedingungen für Bekleidung geführten Debatten. Sie macht aber auch deutlich, dass eine Werte- und Verhaltensänderung auch jenseits des an diesem Diskussionsabend im Mittelpunkt stehenden »Bündnis für nachhaltige Textilien« möglich ist. Zur Erinnerung: Das »Bündnis für nachhaltige Textilien« wurde erst (und mit großen Widerständen aus der Textilbranche) aus der Traufe gehoben, nachdem in Bangladesch die Rana Plaza-Fabrik knapp 1130 Menschen unter sich begrub. Das war im April 2013. Seitdem habe sich »unglaublich viel getan« betonten auch unisono der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller und die ebenfalls anwesende Vorstandssprecherin der GIZ (Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit). Berndt Hinzmann (Inkota) kam hingegen die Aufgabe zu, die Anwesenden freundlich aber bestimmt daran zu erinnern, dass sich Katastrophen wie diese auch in jüngere Zeit wiederholten und dass alles noch lange nicht in Ordnung sei. »Erst durch den öffentlichen Druck und eben nicht durch die Industrie« hätte außerdem beispielsweise die Durchsetzung entsprechender Brandschutzmaßnahmen in den Fabriken eingesetzt. Durch den Abend führte Tobias Schwab (Frankfurter Rundschau), dessen allzu gefällige Moderation zu einer zwar humorvollen, dabei aber selten engagiert-kritischen Diskussion beitrug.

Um die 300 Zuschauer kamen im Saalbau Südbahnhof in Frankfurt am Main zusammen
Um die 300 Zuschauer kamen im Saalbau Südbahnhof in Frankfurt am Main zusammen

Lichtblick »Grüner Knopf«?
Bei den anschließenden Publikumsfragen blitzte schließlich doch etwas von dem auf, was auf dem Podium vom ersten Augenblick an fehlte: Kritische und beherzte Einwände in der in großen Teilen doch zu harmonisch geführt wirkenden Runde. Erweckten die auf dem Podium sitzenden Disputanten also den Eindruck, als sei die Verlagerung der Textil-Herstellung bis in die entferntesten Winkel dieser Welt oder der zunehmende Trend zu »Fast Fashion« nicht näher zu hinterfragen, hob genau hier die Kritik aus dem Publikum an. Und wenn es doch beispielsweise in Bangladesh – so der Otto Group-Vertreter – so schwer sei, »ordentliche Statiker zu finden, die für die Sicherheit der Gebäude einstünden«, ließe sich doch gleich die Frage stellen, warum es die Industrie überhaupt dorthin verschlägt. Klar wurde im Zuge der Podiumsdiskussion zwar, dass der sogenannte »Verbraucher« mit in der Verantwortung steht, aber dass auch ein geeignetes Umfeld von Politik und Unternehmen ausgestaltet werden muss. Einen Lichtblick bietet ja unter Umständen der vom Entwicklungsminister vorgestellte »Grüne Knopf«, der die Nachhaltigkeit entsprechend gekennzeichneter Bekleidung zukünftig unter Beweis stellen soll. Das Thema Bekleidung, führte der Minister außerdem aus, sei für ihn ohnehin nur eine Blaupause für zahlreiche andere Produkte und Probleme, weshalb er zwischenzeitlich auch immer wieder auf die Rohstoffverknappung und andere globale Armuts- und Verteilungsprobleme zu sprechen kam. Eine Antwort aber darauf, für wie fair die in Bangladesh, Indien oder China hergestellte Kleidung gehalten werden kann, gaben die Anwesenden nach der knapp einundeinhalbstündigen Diskussion nur bedingt. Vielleicht liegt die Antwort aber auch so schon auf der Hand.

Zum Weiterlesen:

»Bündnis für nachhaltige Textilien«
Inkota (Clean Clothes – Saubere Kleidung – sozial gerecht)
The Bangladesh Accord
GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit)

Forum Entwicklung »Unsere Kleidung – faire Sache?«
Donnerstag, 19. November 2015 | SAALBAU Südbahnhof | 60594 Frankfurt am Main
»Forum Entwicklung« ist eine Veranstaltungsreihe der GIZ, der Frankfurter Rundschau und des Senders hr-Info.

Teilnehmer: Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und EntwicklungTanja Gönner, Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)Thomas Voigt, Direktor für Wirtschaftspolitik und Kommunikation Otto GroupBerndt Hinzmann, Inkota, Kampagne für Saubere Kleidung | Moderation: Tobias Schwab (Frankfurter Rundschau)

©Fotos: Mit freundlichem Dank an Sven Bergmann

ME für magazin-restkultur.de | © Magazin für Restkultur 2015

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