»Ich denke nicht, dass wir in Sachen Umwelt- und Naturschutz in Deutschland so aufgestellt wären wie heute, wenn wir uns immer nur auf die Freiwilligkeit – sei es die der Industrie, sei es die von Privatpersonen – verlassen hätten.«
– Rosemarie Heilig im Gespräch mit Magazin für Restkultur –
Ob die Besucher der am 02. März in Frankfurt am Main stattfindenden Veranstaltung »Plastikfrei – sind Sie dabei?« noch nicht wissen, welche Auswirkungen Kunststoffe auf die Umwelt haben, sei dahin gestellt. Vielen von ihnen dürfte jedoch klar sein, dass es wohl nicht genügt, die Plastiktüte durch Stoffbeutel zu ersetzen, um den wachsenden Abfallmengen Herr zu werden. Zu diesen und ähnlich gelagerten Fragen laden die Initiatoren Frankfurter ein, mitzudiskutieren. Auf dem Podium wird auch die Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Die Grünen) sitzen. Wir haben ihr fünf Fragen rund um dieses Event gestellt.
1»Plastikfrei – sind Sie dabei?« wird das Motto der am 02. März in Frankfurt stattfindenden Diskussionsrunde lauten. Was versprechen Sie sich von der Veranstaltung?
Die Veranstaltung ist Teil einer Veranstaltungsserie der Stadt Frankfurt unter dem Thema Green City. Hier werden dezernatsübergreifende Themen und die Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten diskutiert, um Frankfurt zu einer nachhaltigen Stadt zu entwickeln. Das Thema »Plastikfrei« ist ein solches Thema, weil die Aspekte Umwelt und Konsum verknüpft werden. Wie der Titel »Plastikfrei – sind Sie dabei?« schon sagt, ist das Thema aufgrund bislang fehlender Verordnungen auf eine große Freiwilligkeit der Akteure angewiesen. Und dies sowohl beim Handel auch als bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Das heißt, dass hier eine verstärkte Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit notwendig ist – dabei gilt es, nicht nur für das Thema allgemein zu sensibilisieren, sondern auch die Möglichkeiten aufzuzeigen, was der Einzelne tun kann und verantwortungsvoller Konsum nicht immer mit Verzicht verbunden ist.
2Ist denn die Stadt Frankfurt schon jetzt in Punkto »plastikfrei« dabei oder müsste nicht noch einiges getan werden?
Wir als Stadt tun, was wir können in dem sehr begrenzten Handlungsspielraum, den wir haben. Das geht los bei den großen Volksfesten wie dem Frankfurter Weihnachtsmarkt, die nur Angebote mit Mehrweggeschirr haben bis hin zu Kampagnen der Stabsstelle Sauberes Frankfurt zusammen mit den Frankfurter Marktbetrieben, um auf den Frankfurter Wochenmärkten für ein plastikfreies Einkaufen zu werben. Denn in dem Bereich Konsum sind wir wie gesagt auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Auch mit den Frankfurter Einzelhändlern in der Frankfurter Innenstadt hat die Wirtschaftsförderung viele Gespräche geführt, um die Zeil (Anm. d. Rdkt: Größte Frankfurter Einkaufsstraße) soweit wie möglich frei von Plastiktüten zu halten.
3Eine der Fragen, mit denen im Vorfeld auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht wird lautet, ob es immer politischer Vorgaben bedürfe oder Selbstbeschränkung reiche. Wie stehen Sie persönlich dazu?
Allgemein denke ich schon, dass ein Verhalten, dass auf Freiwilligkeit beruht, nachhaltiger wirkt, weil es von den Betroffenen eben auch selbst so gewollt ist. Allerdings haben die Erfahrungen gerade in der Umweltpolitik aus den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass große Veränderungen nur mit politischen Vorgaben zu erreichen waren. Ich denke nicht, dass wir in Sachen Umwelt- und Naturschutz in Deutschland so aufgestellt wären wie heute, wenn wir uns immer nur auf die Freiwilligkeit – sei es die der Industrie, sei es die von Privatpersonen – verlassen hätten. Allerdings freut es mich sehr, dass eben auch hier ein Umdenken einsetzt. Das heißt, dass die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen, heute auf die Politik zukommen, um noch mehr zu erreichen in Sachen Umweltschutz oder Energiewende. Gut Ding will eben gut Weile haben.
4Kostenlose Plastiktüten sind ja größtenteils aus dem Angebot vieler Supermärkte entfernt werden. Ist das für Sie ein erster wichtiger Schritt oder eher ein »schwacher Trost« in Anbetracht der unendliche Fülle an Umverpackungen, die in den Supermarktregalen zu finden sind?
Es ist auf alle Fälle ein erster wichtiger Schritt, denn es zeigt den Bürgerinnen und Bürgern, dass sie eben nicht unüberlegt einfach über kostenlose Plastiktüten verfügen können. Diese brauchen ja Ressourcen auf und verursachen Kosten bei der Entsorgung. Ich habe auch noch keine Klagen darüber gehört, sondern im Gegenteil, eher viele Rückmeldungen aus meinem Bekanntenkreis, dass dies doch eine längst überfällige Maßnahme sei. Wir hatten ja schon in den 80er Jahren erste Kampagnen wie „Jute statt Plastik“ – das ist über 30 Jahre her!
5Werfen wir abschließend einen Blick in die Zukunft, Frau Heilig. Wie sieht diese mit Blick auf verpackungsfreie Supermärkte und alternative Verpackungsmaterialien in Ihren Augen in Hessen, Deutschland oder sogar europaweit aus?
Ich gehe davon aus, dass sich in Zukunft die Menschen auch in anderen Fällen als nur bei Plastiktüten Gedanken über den Umgang mit Plastik oder Verpackungen machen werden. Erst kürzlich hat in Frankfurt das erste Angebot von »Grammgenau« eröffnet – hier werden einzelne Zutaten eben nach Gewicht verkauft – nach dem Vorbild des klassischen Krämerladens. Die Konsumentinnen und Konsumenten können sich Verpackungen kaufen oder mitbringen. Letztendlich sparen sie damit sogar Geld, weil sie nur das einkaufen, das sie brauchen, und ohne, wie im schlimmsten Fall, nicht benötigte und abgelaufene Lebensmittel dann wegzuschmeißen.
Frau Heilig, wir bedanken uns für das Gespräch.
Zur Person
ROSEMARIE HEILIG, Umwelt- und Gesundheitsdezernentin Frankfurt/M.
Rosemarie Heilig, Jhrg. 1956,
Biologin und Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen).
Für die Naturschutzorganisation WWF und als wissenschaftliche Assistentin der Grünen im Frankfurter Kommunalparlament tätig
Stadtverordnete der Grünen und Mitglied im Umweltausschuss (1993 bis 1997) Leitung Umweltamt der Stadt Ludwigshafen (1998 bis 2001)
Ehrenamtliche Geschäftsführerin der Abfallverbrennungsanlagen GmbH in Frankfurt (2002 bis 2006)
»Was wird nicht alles in Kunststoff verpackt? Und wie viele Verpackungen, Becher oder PET-Flaschen landen dann in unseren Grünanlagen?«, ist auf der Veranstaltungswebsite Frankfurt Green City zu lesen. Und weiter: »Aber ohne den Einsatz von Kunststoffen ist die Fertigung von zahlreichen Produkten kaum noch vorstellbar.« Zu einer Diskussionsrunde rund um die Fragestellung, wie sich unerwünschte Folgen trotz des gewaltigen Materialeinsatzes vermeiden lassen lädt die Dezernentin zusammen mit anderen Frankfurter Akteuren am 02. März im Frankfurter Gallustheater ein. Weitere Informationen und Anmeldung unter: frankfurt-greencity.de
Fotos zu diesem Beitrag: »Der verpackte Mensch« (2015)
Der Verpackte Mensch ist ein Fotoprojekt des Fotografenkollektivs 50mm – Kontor für Projektfotografie (Berlin) zum Thema Verpackungsmüll und dessen Vermeidung. Im Jahr 2015 wurden mehrere Personen gebeten, ihren gesamten Verpackungsmüll zu sammeln, um sich anschließend mit diesem fotografieren zu lassen. Ziel des Fotoprojektes, so die Initiatoren, sei es gewesen »auf die Masse an Verpackungsmüll aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein zu dessen Vermeidung zu schaffen«. Ein Beitrag rund um dieses Projekt ist auf Magazin für Restkultur auch unter Fotoprojekt: »Der verpackte Mensch« zu finden. Wir danken den Fotografen, dass sie der Veröffentlichung im Rahmen dieses Beitrages zugestimmt haben.
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