Upcycling meets Flüchtlingsintegration: »Perspektiven statt Abschottung«

Das magdas Hotel in Wien

©Foto: Stefanie Steindl
Als wir diesen Text im Juni 2015 fertig stellen, werden Überlegungen der europäischen Kommission zum Versenken leerer Flüchtlingsboote vor der libyschen Küste laut. Treffen will man damit zwar Schlepper, die so daran gehindert werden sollen, sich am Leid der vor Bürgerkrieg und Armut fliehenden Menschen zu bereichern. Doch diese Gedankenspiele können auch als Signal verstanden werden: Flüchtlinge sind in Europa unerwünscht. Nur wenige Tage später werfen Krawalle und Brandanschläge auf Flüchtlingsheime in Deutschland ein unrühmliches Licht auf die mangelnde Hilfs- und Integrationsbereitschaft einiger Menschen.
Dass Willkommenskultur und Unterstützung auch anders geht, – und dass man in Teilen der europäischen Zivilgesellschaft schon wesentlich weiter ist als in den Büros einiger Verantwortlicher und in den Köpfen mancher »Das Boot ist voll«-Apologeten  –  zeigt das magdas Hotel im Herzen Wiens.
Motivierten Menschen Perspektiven bieten

„In der Laufbergergasse in Wien werden TouristInnen aus aller Welt von Menschen willkommen geheißen, die ihre Heimat nicht freiwillig verlassen haben“, fasst der Hoteldirektor Sebastiaan de Vos das Konzept des magdas Hotel zusammen. Nach knapp neunmonatiger Umbauzeit erstrahlt dort seit Februar diesen Jahres ein ehemaliges Caritas-Seniorenheim in neuem Glanz. Knapp 20 anerkannten Flüchtlingen aus 14 Nationen gibt das Hotel eine neue Zukunftsperspektive in ihrem Gastland Österreich. Aber auch sechs Ausbildungsplätze für unbegleitete Minderjährige sind im magdas geschaffen worden. „Wer legal hier lebt, soll auch legal hier arbeiten dürfen“, betont de Vos. Das Social Business-Projekt soll außerdem zeigen, „dass es nicht nur unter sozialer, sondern auch unter ökonomischer Hinsicht widersinnig ist, junge, motivierte Menschen mit Stärken und Talenten zum Nichtstun zu verdammen“. An Unterstützung – auch aus der Bevölkerung und der nahegelegenen Akademie der bildenden Künste und einem Kindergarten – mangelt es nicht. Studierende stellen beispielsweise Kunstwerke bereit, während Dozenten zusammen mit minderjährigen Flüchtlingen Workshops abhalten. Die Caritas der Erzdiözese Wien unterhält unter der Dachmarke magdas außerdem zahlreiche andere Projekte, bei denen Menschen mit geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt unterstützt werden.

Upcycling und Second-Hand prägen die Innenarchitektur

Das magdas Hotel hat aber nicht nur unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil es Akzente gegen Vorurteile setzt und Perspektiven statt Abschottung bietet – das innenarchitektonische Konzept ist gleichermaßen bemerkenswert. Zusammen mit dem Wiener Architekturbüro AllesWirdGut  haben die Caritas-Verantwortlichen ein besonderes Inneneinrichtungskonzept geschaffen. Knappe Mittel, aber auch die „Reaktion auf die vorhandene Bausubstanz“ und der Wunsch ressourcenschonend vorzugehen, haben dazu geführt, dass eine überwiegende Mehrzahl der Einrichtungsgegenstände aus zweiter Hand ist oder vorher einen gewissen Upcycling-Prozess durchlaufen hat. So sind um die 200 Upcycling-Tische und 400 gebrauchte – und umgestaltete – Sessel im magdas verteilt, die zusammen mit dem modernen und hellen Interieur für eine überraschende Mischung sorgen. In einigen der Zimmer bestehen die Nachttischen aus übereinander gestellten ausrangierten Koffern und als Kofferablage dienen an die Wand montierte halbe Stuhlkorpusse. Wer außerdem in den Restaurant-Spiegel blickt erkennt, dass hier eine alte Tür einer neuen Bestimmung zugeführt worden ist. Die Möbel stammen sowohl von den ehemaligen Heimbewohnern als auch von dem von der Caritas unterhaltenen Second-Hand-Markt.

Es bleibt zwar zu hoffen, dass die schwerwiegenden Konflikte in den Herkunftsländern der Flüchtlinge gelöst werden. Eine konstruktive und gestalterisch reizvolle Alternative zu den „Schiffe versenken“-Gedankenspielen der EU-Verantwortlichen – und Flüchtlingsgegner – sind Projekte wie das magdas aber allemal.

magdas Hotel

Laufbergergasse 12
1020 Wien
magdas-hotel.at

©Fotos: Mit freundlicher Genehmigung magdas Hotel

ME für magazin-restkultur.de | © Magazin für Restkultur 2015

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2 Kommentare

  1. Wie Sie richtig sagen, ist es wichtig bei der Integration den Flüchtlingen eine Perspektive zu bieten, statt sie sich isolieren zu lassen. Zusätzlich ist es wichtig, dass diese Integrationskurse besuchen. Anschließend sollten sie dann in den Arbeitsmarkt integriert werden.

  2. Eine Super Initiative die Sie da darstellen bzgl. des Themas Flüchtlinge und Integration. Es gibt so viele motivierte Menschen mit ungenutztem Potential. Angebote wie der in Ihrem Artikel erwähnten und Integrationskurse sind unerlässlich, um diese erfolgreich sowohl in die Gesellschaft als auch in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

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