Neat Streets: »Spielend einfach wegwerfen«

Den Spieltrieb wecken – und ein Müllproblem lösen
[08|2015] Umwelt- und Awarenesskampagnen kommen allzu häufig mit erhobenem Zeigefinger oder pathetischen Moralappellen daher. Was unter Umständen gut gemeint ist, verfehlt dann nicht selten seine Wirkung. »Lassen sich Menschen möglicherweise aber spielerisch dafür gewinnen, ihre Stadt pfleglich zu behandeln?«, fragten sich die Initiatoren von Neat Streets.

»Ordentliche Straßen«
Einer Umfrage zufolge fühlen sich knapp 85 Prozent der Londoner davon abgestoßen, Müll in öffentliche Mülltonnen zu werfen. Dieser Widerwillen führt unter anderem dazu, dass in zahlreichen Fußgängerzonen Kaugummis auf Pflastersteinen kleben oder Müllkippen das Straßenbild verunstalten. Im Mittelpunkt der Neat Streets (= ordentliche Straßen)-Kampagne stand daher die Frage, ob es nicht auch mit spielerischen Elementen gelingen könnte, für einen Gesinnungswandel zu sorgen. Und dafür haben sich die Organisatoren der Londoner Agentur Hubbub, die die Aktion betreut, einiges einfallen lassen. Im Londoner Stadtteil Westminster sind unter anderem farbenfroh gestaltete sowie „sprechende“ Mülltonnen aufgestellt worden, die nach erfolgtem Einwurf sympathische Laute ausstoßen. Was aber, wenn mit Abfällen auch Meinungsforschung betrieben und der menschliche Spieltrieb geweckt werden kann?

 

»Ronaldo oder Messi?«
Zwei besondere Einfälle haben nicht nur die Aufmerksamkeit zahlreicher Medien, sondern auch die der Passanten der Villiers Street, auf sich gezogen. „Umfrageboxen“, die wöchentlich ausgetauscht werden, laden beispielsweise zur Abstimmung (mit Zigarettenkippen*) darüber ein, ob nicht Ronaldo oder Messi die weltweit besten Fußballspieler sind oder ob die Passanten nicht lieber Formel 1- oder Tennisaustragungen bevorzugen. Eine praktische Aussagekraft haben die Umfragen zwar nur bedingt – zum Mitmachen regen die humorvoll formulierten Fragestellungen aber allemal ein. Wortwörtlich bildlich geht es hingegen bei den ebenfalls regelmäßig erneuerten Kaugummi-Walls zu: Ausgelutschte Kaugummis, die auf bestimmte vorgedruckte Bereiche geklebt werden können, geben hier überraschende Bilder zu ebenso überraschenden Informationen frei. Erst wenn genügend Passanten ihre Kaugummireste auf die dafür vorgesehenen Felder der Metalltafel (und folgerichtig nicht auf dem Boden) hinterlassen, kommt ein Bildmotiv zum Vorschein: Eine Londoner Telefonzelle zum Beispiel. Acht dieser markanten Telefonhäusschen, so ist zu lesen, entsprächen den sechs Tonnen Kaugummis, die allein jährlich auf den Straßen des Londoner Westends landen …

Zahlen darüber, wie erfolgreich das Pilotprojekt war, werden nach Ende der Aktion im November 2015 bekanntgegeben.

Nachahmer gesucht
Die Initiatoren von Neat Streets gehen davon aus, dass das Projekt ja auch anderweitig Schule machen könnte. Unter der eigens dafür erstellten Seite für Nachahmer bietet Hubbub Informationen für interessierte Städte und Gemeinden an. Obwohl sich das Angebot an ein englisch sprachiges Publikum wendet, verweisen wir aber gerne darauf. Schließlich sind unter Umständen ja möglicherweise Entscheider aus Politik und Wirtschaft unter unseren Lesern (denen Du im Übrigen ja den Link zu unserem Beitrag zusenden kannst …). Die sympathische Idee könnte nicht nur dazu beitragen, auch hiesige Fußgängerzonen sauberer zu halten, sondern durch humorvoll gestellte Fragen  etwas über die Vorlieben der Passanten zu erfahren. 

©Fotos: Heather Poore, Hubbub UK

*Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir der Frage nach der Ästhetik von Zigarettenstummeln oder der gesundheitsschädlichen Wirkung von Nikotin im Zuge dieses Beitrages nicht nachgehen. 

ME für magazin-restkultur.de | © Magazin für Restkultur 2015

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