
Abfälle rufen überwiegend Abscheu und Ablehnung hervor und stellen uns nicht selten auch vor gewaltige Herausforderungen. Plastikmüll in den Weltmeeren oder ausgediente Brennelemente aus Kernkraftwerken sind nur einige Beispiele dafür. Sie können aber auch (siehe unsere Rubrik »Kreativ«) als Inspiration – und Müllentsorgungsunternehmen als durchaus profitable und umkämpfte Einnahmequelle dienen. Aus der Sicht von Müllarchäologen hingegen erzählen die dann als Siedlungsabfälle bezeichneten Artefakte jede Menge Geschichten über menschliche Lebensweisen. Diesen geht zum Beispiel auch die Archäologin Eva Becker nach, die die Webseite »Müll-Archäologie: Spurensuche im Alltag« betreibt.
Was werden wir finden?
Zu Beginn einer archäologischen Grabung, so die gebürtige Rheinländerin auf ihrem Blog muell-archaeologie.de, stelle sich die spannende Frage: »Was werden wir finden?« Wer jetzt an Spaten und Pinsel denkt, mit denen die in Berlin lebende (Müll)-Archäologin nach Antworten darauf sucht, sieht sich womöglich getäuscht. Denn anders als Altertumsforschern reicht Becker offenkundig eine Digitalkamera, mit der sie ihre Umgebung nach Rest-Artefakten jeder Art abtastet. Am Straßenrand gestapelte Schuhe erregen dabei ebenso ihre Aufmerksamkeit wie überfüllte Abfallkörbe oder unverhofft auftauchende Toilettenschüsseln. Mal humorvoll, mal mit nachdenklichen Untertönen stellt die studierte Archäologin und Religionswissenschaftlerin nicht nur diese Fundstücke seit dem Jahr 2011 auf muell-archaeologie.de vor, sondern zahlreiche Querbezüge zu Geschichts- oder Alltagsthemen her. »Berliner Hundehaufen« auf Bürgersteigen bieten ihr beispielsweise die Gelegenheit, einen Blick auf die in der Hauptstadt im Jahr 1829 eingeführte Hundesteuer zu werfen. Mit dieser wiederum, so lernen wir, seien dann die »Trottoirs« finanziert worden.
Kein erhobener Zeigefinger
Dabei betreibe sie den Blog nicht mit erhobenem Zeigefinger und auch erzieherische Maßnahmen lägen ihr fern. Vielmehr gehe es ihr darum, »Aussagen zur Esskultur, zum Freizeitverhalten, zum Medikamentenkonsum und vielen anderen Lebensgewohnheiten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen« zu treffen. Denn: Müll lüge nicht. Sie fasst das Thema aber weiter und befindet, dass Filme wie »Taste the Waste« oder »Plastik Planet« den Aktualitätswert von Müll- und Entsorgungsherausforderungen widerspiegelten. Eine eigene Rubrik widmet sie darüber hinaus Café to go: Im »Treffpunkt aller ausrangierten Kaffeebecher« unternimmt sie interessante fotografische Streifzüge zu unterschiedlichsten Berliner Café to go-Becher-Fundorten. Außerdem bietet Becker auch Workshops für Schulen an, bei denen es dann um »Müllvermeidung, Recycling und Nachhaltigkeit« – und Müllarchäologie – geht.
Wer sich nicht davor scheut, einen Blick in den eigenen Konsum- und Entsorgungsspiegel zu werfen (schließlich gehören ja wir alle unter archäologischen Gesichtspunkten zur Gattung »Mensch«), wird auf muell-archaeologie.de Überraschendes entdecken. Geschärft wird so auch der Blick für unsere nähere Umgebung. Und kommen uns die Bilder von Beckers »Ausgrabungen« nicht ohnehin bekannt vor ..?
©Fotos: Mit freundlicher Genehmigung Eva Becker