Gesehen bei Anke Paap in Warnemünde:
Meine Kindheitsplastikreste.

[08|14] Meine Augen glänzen unverhofft, als ich auf dem Haufen zusammengetragener Holz- und Abfallreste ein kleines, blaues Kunststoffauto entdecke. „Hierhin hat es ihn also verschlagen“, denke ich für mich und unzählige Kindheitserinnerungen werden wieder wach: Mit einem solchen Plastikfahrzeug habe doch auch ich als Kind gespielt! Die Frage drängt sich auf, wohin all die Kindheitsplastikreste, an die ich keine Gedanken mehr verschwendet habe, wohl hingetrieben sein mögen. Sicher ist jedenfalls: Nicht alle haben es bis in das Atelier von Anke Paap in Warnemünde geschafft und treiben womöglich auf den Weltmeeren oder vermodern auf Mülldeponien.

Angetrieben an den Strand von Warnemünde
Die gebürtige Hamburgerin Anke Paap lebt seit knapp 10 Jahren in Warnemünde und stellt wie zahllose andere Meeresanrainer fest, dass zunehmend mehr Plastikmüll an die Küsten getrieben wird. Doch nicht nur das langlebige Treibgut macht ihr Sorgen, wie sie uns im Gespräch wissen lässt. Auch die Sorglosigkeit, mit der Strandbesucher Plastik- und Müllreste zurücklassen, bringt sie auf. „Ich möchte auf das Thema Plastikmüll im Meer und anderswo aufmerksam machen. Schön wäre es, wenn die Menschen etwas achtsamer werden“, sagt sie uns. Paap hat es sich zur Aufgabe gemacht, Plastik- und Müllreste zu mal bunt schimmernden, mal modrig wirkenden Kollagen zu arrangieren. Gefunden hat sie die allermeisten ihrer Fundstücke und eben auch mein Spielzeugauto an den Stränden rund um Warnemünde.

„Beached art“: Schön – aber verstörend
Die zahllosen Exponate der „beached art“-Reihe, die die Wände der zwei Atelier- und Ausstellungsräume bedecken, nehmen den Betrachter auf eindringliche Weise ein. Beklemmend wirken ebenfalls die farbig passend zusammengestellten Deckel, Strandschaufeln oder Seilreste. Allesamt üben die Kunstwerke eine verstörende Wirkung aus, denn der trügerischen Schönheit all dieser Gegenstände wohnt eine immanente Gefahr inne. Nicht ignorieren lässt sich schließlich, dass sich unzählige Meeres- und Strandbewohner an unseren Zivilisationsresten verschlucken oder verheddern und irgendwo da draußen verenden. Die implizite Botschaft der nun kunstvoll gebändigten und so ungefährlich gewordenen Plastikutensilien lautet aber zusätzlich: Wir verschmutzen auf Jahrhunderte unsere Umwelt! Zusätzlich zerfällt der in den Ozeanen treibende Plastikmüll in immer kleinere Teile und wird dann von Fischen aufgenommen. Sogenanntes Mikroplastik, das seine giftigen Inhaltsstoffe abgibt, gelangt so in die Nahrungskette.

Strandgut-Kunst
Kunstdrucke ihrer Arbeiten sind im Atelier „Anke Paap“ zwar erhältlich – die einzelnen Bilder sind allerdings nur in Teilen käuflich, wie die Künstlerin anmerkt. Paap lässt ihre Bilder aber in Galerien oder Kunsthallen für sich sprechen. Zu sehen sind zahlreiche ihrer Arbeiten auch online (siehe online-Tipp unten) oder direkt in ihrem Atelier in Warnemünde, wohin sich eine Fahrt ohnehin lohnt. Neben den zahlreichen Plastik- und Strandmüllarbeiten bietet die Künstlerin jedoch auch Kunst aus Holz- und Muschelresten an, bei denen sich das Auge an der unbelastet natürlichen Schönheit erfreuen kann.
Nicht einer gewissen Ironie entbehrt es, dass ich ausgerechnet eine Plastikwasser-Pfand-Flasche im Atelier vergessen habe. Nein, wir gehen (noch nicht) mit gutem Beispiel voran – auch wenn ich die Flasche kurze Zeit später wieder abgeholt habe.

Übrigens: Mit Plastik zu spielen gehörte für mich als Kind genauso dazu wie für unzählige andere Kinder heute auch. Über die Folgen unseres Plastikkonsums war sich jedoch damals – im Gegensatz zu heute – wohl niemand bewusst. So nostalgisch verklärend wie es war, im Atelier von Anke Paap mein Spielzeugauto wieder zu sehen, so eindringlich einschneidend ist es, die eigenen Plastikreste womöglich noch nach Jahrzehnten umverrottet in den Meeren zu wissen.
- geschätzte 10 Millionen Tonnen Müll landen jährlich in den Weltmeeren
- Pro Quadratkilometer Meer sind um die 18.000 Plastikteile zu finden
- Vögel und Fische nehmen unverdauliche Plastikreste in die Nahrungskette auf
- Bis zu 450 Jahre benötigt beispielsweise eine PET-Flasche bis sie vollständig zersetzt wird
Quelle: NABU
©Fotos: MS für Magazin für Restkultur
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