Geschätzte 85 Kg Lebensmittel befördert jeder Deutsche im Durchschnitt in den Müll – 24 Kg davon werden praktisch noch nicht einmal geöffnet, geschweige denn probiert. Ines Rainer und der Regisseur Valentin Thurn (Taste the Waste) fassten den Entschluss, eine Plattform zu gründen, auf der es möglich sein sollte, Lebensmittel mit anderen zu teilen und so zu einer Reduzierung der Lebensmittelverschwendung beizutragen – die Idee zu Foodsharing war geboren. Wir stellen die bisherigen Foodsharing-Beiträge auf dieser Seite vor.
Wir haben Ines Rainer fünf Fragen rund um die Plattform foodsharing.de gestellt – und sie um eine Frage an uns gebeten.
1. Seit wann gibt es die Foodsharing-Plattform Foodsharing.de und wer sind die Initiatoren? Die Webseite ist am 12.12.12 um 12.12 Uhr online gegangen. Aber die Idee dazu ist schon ein Jahr davor entstanden und kam witziger Weise von mehreren Leuten zur gleichen Zeit. Hauptberuflich arbeite ich ja bei einer Fernsehproduktionsfirma in Köln, bei der wir eine Sendung zum Thema Lebensmittelaufbewahrung vorbereitet haben. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich das erste Mal intensiver mit dem Thema der Lebensmittelverschwendung auseinandergesetzt und war schockiert über die Tatsache, dass jeder Deutsche 85 Kg Lebensmittel im Jahr in den Müll wirft. Noch krasser ist die Zahl einer aktuellen Studie die besagt, dass weltweit etwa die Hälfte der produzierten Lebensmittel in der Tonne landet. Vor diesem Hintergrund habe ich mich gefragt, warum es eigentlich zu Zeiten von carsharing und couchsurfing noch keine Plattform gibt, auf der man die Möglichkeit hat, Lebensmittelüberschüsse zu teilen und daher auch mit dem Gedanken gespielt eine Smartphone App zu entwickeln. Für die Sendung über Lebensmittelaufbewahrung hatten wir auch Valentin Thurn, den Regisseur des Dokumentarfilms Taste the Waste, als Experten eingeladen. Wir kamen ins Gespräch und als ich ihm die Grundzüge meiner Idee beschrieb, stellten wir fest, dass er ebenfalls an einer solchen Plattform arbeitete. Bereits einige Wochen später setzten wir uns mit mehreren Leuten an einen Tisch und arbeiteten die Idee aus. Dann ging eigentlich alles ganz schnell. Da wir keine finanziellen Mittel hatten, haben wir einen ehrenamtlichen Verein gegründet und eine Crowdfunding-Kampagne über Startnext gestartet, bei der die 12.000 € Startkapital zusammenkamen, mit denen wir dann die Programmierung der Website finanzieren konnten.
2. Wie funktioniert Foodsharing? Foodsharing.de ist eine kostenlose Online-Plattform. Privatpersonen, Händlern und Produzenten wird hier die Möglichkeit geboten, überschüssige Lebensmittel in der nahen Umgebung mit anderen zu teilen. Jeder kennt das Problem: Man fährt spontan in den Urlaub oder hat nach einer Feier noch viele Lebensmittel über und weiß nicht wohin damit. Auf Foodsharing.de hat man die Möglichkeit, ganz einfach einen Essenskorb mit den überschüssigen Lebensmitteln zu erstellen. Dieser kann dann von allen Mitgliedern gesehen werden. Ist man an einem Essenskorb interessiert, kann man den reservieren und sich zum Essensaustausch verabreden. Mittlerweile haben wir auch immer mehr „Fairteiler“. Das sind Kühlschränke oder Regale in öffentlichen Institutionen oder Geschäften. Hier kann jeder geben und nehmen, was grade da ist.
3. Lebensmittel für ca. 22 Milliarden Euro, die Jahr für Jahr in den Müll landen – wie groß wäre der Betrag, wenn es Foodsharing nicht gäbe? Das ist schwer zu sagen, aber es sind mittlerweile schon knapp 30 Tonnen Lebensmittel, die wir vor dem Müll gerettet haben. Und das ist schon ein sehr guter Start. Aktuell wird die Plattform von über 33.000 Menschen genutzt und auf Facebook von knapp 45.000 geliked. Österreich und die Schweiz sind auch schon online. Das sind im Großen und Ganzen gesehen natürlich nur kleine Schritte, aber immerhin ein Anfang.
4. Was kann jeder Einzelne tun, um die Verschwendung von Lebensmitteln zu vermeiden? Zunächst sollte sich jeder über den ideellen Wert von Lebensmitteln bewusst werden. Von vielen Menschen wird Essen nur als reine Ware gesehen und entsprechend behandelt. Während auf vielen Teilen dieser Welt täglich Menschen verhungern, gehen wir einfach zu respektlos mit Essen um. Wir leben in einer konsumorientierten Überflussgesellschaft, in der das Bewusstsein für Nahrungsmittel unserer Großeltern, die zu Zeiten des Krieges aufgewachsen sind, fehlt. Wir leben spontan, haben wenig Zeit und haben auch in der Schule nichts über Ernährung oder Lebensmittel gelernt. Viele Großstädter bekommen nicht mal mehr mit, wie lange Kartoffeln zum Wachsen brauchen oder wie viel Arbeit, Kraft und Zeit es kostet, bis ein Huhn ein Ei legt. Viele Faktoren kommen hier zusammen und tragen dazu bei, dass wir unreflektiert konsumieren. Ich bin der Meinung, dass jeder im Alltag mit einfachen Mitteln der Lebensmittelverschwendung entgegen wirken kann:
1. beim Einkaufen genau überlegen, wie viel man wirklich braucht
2. im Vorfeld planen, wann man was essen/kochen will
3. lieber öfter kleine Mengen einkaufen als Großeinkäufe tätigen
4. die Lebensmittel richtig lagern
Und zu guter letzt ein ganz wichtiger Punkt: Der Irrglaube des Mindesthaltbarkeitsdatums. Hier sollte man auf seine eigenen Sinne vertrauen. Wenn das Lebensmittel nicht verschimmelt ist, komisch riecht oder schmeckt, kann man vieles noch ohne Probleme essen. Ein kleines Beispiel: Ich habe letztes Jahr im Dezember noch einen Joghurt gegessen, der mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum vom 17.07.2013 versehen war. Unglaublich, aber wahr und verdammt lecker. Und falls man trotzdem mal was über hat, kann man natürlich foodsharing nutzen oder sich ehrenamtlich für uns engagieren.
2. im Vorfeld planen, wann man was essen/kochen will
3. lieber öfter kleine Mengen einkaufen als Großeinkäufe tätigen
4. die Lebensmittel richtig lagern Und zu guter letzt ein ganz wichtiger Punkt: Der Irrglaube des Mindesthaltbarkeitsdatums. Hier sollte man auf seine eigenen Sinne vertrauen. Wenn das Lebensmittel nicht verschimmelt ist, komisch riecht oder schmeckt, kann man vieles noch ohne Probleme essen. Ein kleines Beispiel: Ich habe letztes Jahr im Dezember noch einen Joghurt gegessen, der mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum vom 17.07.2013 versehen war. Unglaublich, aber wahr und verdammt lecker. Und falls man trotzdem mal was über hat, kann man natürlich foodsharing nutzen oder sich ehrenamtlich für uns engagieren.
5. Wünscht Du dir, dass es foodsharing.de irgendwann nicht mehr gibt, weil Eure Arbeit dann erfolgreich gewesen sein würde oder blickst Du eher skeptisch in die Zukunft? Das wäre natürlich wünschenswert, aber realistisch gesehen glaube ich, dass es leider immer Menschen geben wird, denen es besser und andere, denen es schlechter geht. Deshalb wird sich wahrscheinlich auch die Lebensmittelverschwendung nie vollständig verhindern lassen. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass sich die enorme Menge an verschwendeten Lebensmitteln reduzieren lässt. Da das Thema mittlerweile in den Medien sehr präsent ist, hat es schon viele Menschen erreicht. Langsam aber sicher findet auch ein Umdenken statt.
Ein anderes großes Problem sind die Verantwortlichkeiten. Denn es sind nicht nur wir Verbraucher schuld. Die Privathaushalte machen nur einen geringen Teil des Lebensmittelmülls aus. Auch die Lebensmittelproduzenten, die Händler und Supermärkte sowie die Politik stehen in der Verantwortung etwas zu verändern. Es fängt nämlich schon damit an, dass es viele Lebensmittel erst gar nicht in den Supermarkt schaffen, weil die Anforderungen des Handels so streng sind. Tomaten müssen einen bestimmten Rotton haben, Gurken dürfen nicht krumm sein und die Äpfel müssen perfekt aussehen. An dieser Stelle sind wir Verbraucher dann aber wieder gefragt. Muss immer alles so perfekt aussehen? Nein! Edeka und Rewe haben sich schon getraut und tatsächlich „hässliches“ Gemüse ins Sortiment aufgenommen. All das sind erste Schritte in die richtige Richtung. Über 2700 ehrenamtliche Helfer deutschlandweit unterstützen uns bei unserer Arbeit. Dieses enorme Interesse an dem Thema und die Bereitschaft des ehrenamtlichen Engagements machen mir Mut und motivieren mich, den Kampf für eine bessere Welt nicht aufzugeben.
Die Frage an uns
Wann immer möglich, bitten wir in unseren Gesprächen auch um eine Frage an uns – und machen den Interviewten kurzerhand zum Interviewer. Was wollen unsere Gesprächspartner über Magazin für Restkultur erfahren? Vielleicht sind es ja die gleichen Dinge, die auch unsere Leser von uns gerne wissen möchten. Die bisher gestellten Fragen – und unsere Antworten – sind unter Fragen an uns zu finden.
Ines Rainer (Vorstand Foodsharing) fragt:
Mit wem habt ihr zuletzt Lebensmittel geteilt?
Ines, die Wahrheit ist, dass wir weder in letzter Zeit noch früher Lebensmittel geteilt haben. Fakt ist allerdings auch, dass wir seitdem wir uns mit dem Thema der Lebensmittelverschwendung befassen, sich auch bei uns eine Änderung unseres Verhaltens einstellt. Erst vor wenigen Tagen habe ich, da das Frischbrotregal leer war, darauf bestanden, Brot vom Vortag zu bekommen, das sonst weggeschmissen worden wäre.»Foodsharing, 1|2014«
Wann immer möglich, bitten wir in unseren Gesprächen auch um eine Frage an uns – und machen den Interviewten kurzerhand zum Interviewer. Was wollen unsere Gesprächspartner über Magazin für Restkultur erfahren? Vielleicht sind es ja die gleichen Dinge, die auch unsere Leser von uns gerne wissen möchten. Die bisher gestellten Fragen – und unsere Antworten – sind unter Fragen an uns zu finden.
Mit wem habt ihr zuletzt Lebensmittel geteilt?
Ines, wir Danken Dir für Deine Antworten und wünschen euch weiterhin viel Erfolg!
Southside Festival 2014 (Teil II):
Foodsharing rockt.
[07|14] Vor zwei Wochen haben wir einen interessierten Blick auf die diesjährigen „grüner Rocken“-Initiativen beim Southside Festival in Tuttlingen geworfen [zum Artikel]. Mehr als 60.000 Rockfans kommen hier einmal im Jahr für drei Tage zusammen, um internationale Rock- und Popgrößen live zu erleben. Zum ersten Mal bei einer Veranstaltung dieser Größenordnung waren auch die Lebensmittelretter von Foodsharing. Die Foodsharing-Botschafterin in München Sabrina Riddering hat uns einige Fragen rund um ihre Erfahrungen dort beantwortet.
Eindrücke vom Foodsharing Tausch Dich satt-Zelt auf dem Southside Festival (19. – 21. Juni 2014)

Magazin für Restkultur: Zum ersten Mal ist Foodsharing auf dem Southside Festival aktiv geworden – wie ist die Idee angenommen worden? Sabrina Riddering: So wie wir es auf dem Festival erleben durften, kam die Idee von Foodsharing wirklich sehr gut an. Von meist kleineren Stadtteil- und Kulturfestivals in unseren Städten abgesehen, war es das erste Mal, dass Foodsharing gleich auf zwei Festivals dieser Größe war, nämlich auf dem Southside und dem parallel stattfindenden Hurricane.
Wie kam es eigentlich dazu? Der Veranstalter selbst ist im Sinne des „Grüner Rocken“-Gedankens bereits im Januar auf Foodsharing in Köln zugegangen. Dann ging es noch einige Male hin und her, bis schließlich Foodsharing Hamburg alle organisatorischen Hebel in Bewegung gesetzt hat.
Wie hoch sind die Lebensmittelmengen, die zusammen gekommen sind? Puh … Die Mengen waren wirklich unglaublich und nur in Worte schwer zu fassen. Am besten bekommt man eine Vorstellung davon, wenn ich sage, dass wir nicht mehr wussten, wohin mit all den Dosen, Tüten und Packungen. Wir haben sogar leere Kartons von den Merchandising-Ständen bekommen, um die Lebensmittel zu stapeln.
Was ist mit den Lebensmitteln anschließend passiert? Alle Lebensmittel, die am Fairteiler im Tausch-dich-satt-Zelt übrig geblieben sind/abgegeben wurden, beziehungsweise in den dafür vorhergesehenen Tonnen an den Recyclingstationen hinterlassen wurden, gingen als Spende an die lokale Tafel. Diese Tatsache begeisterte die Festivalbesucher und ist auch der Grund für den Erfolg der Aktion.
Auf Platz 1 waren Ravioli? Welche Lebensmittel sind noch so zurückgelassen worden Treffer! Definitiv unschlagbar ganz vorne: Der Festivalklassiker Ravioli, dicht gefolgt von weiteren Dosenkonserven wie Penne, Spaghetti, Eintöpfe und so weiter. Auch 5-Minuten-Terrinen gab es in ziemlich vielen Geschmacksrichtungen. Aber Brot, Knabberzeug und – kaum zu glauben – tatsächlich etwas Obst und Gemüse war ebenfalls dabei.
Habt ihr neue Unterstützer während der Aktion bekommen? Oder war es einfach nur praktisch für die Festival-Besucher, dass sie ihre überschüssigen Lebensmittel nicht wieder mitnehmen mussten? Aufgrund der Reaktionen vieler Festivalbesucher können wir sagen, dass die meisten die Idee von Foodsharing und die Aktion selbst gut fanden. Sie hatten so zum Beispiel entweder die Möglichkeit, eine mitgebrachte Ravioli-Dose gegen andere Lebensmittel eines anderen Festivalbesuchers zu tauschen oder aber die Dose anstatt sie wieder mitzunehmen oder wegzuwerfen direkt bei uns abzugeben.
Gab es auch den Appell beim nächsten Festival auch einfach weniger mitzubringen? Ab und an vielleicht, aber wir haben versucht die Festivalbesucher von der Grundidee von Foodsharing zu begeistern, woraus dann das Weniger-Mitbringen im nächsten Jahr vielleicht automatisch resultiert. Ein Appell kann ja auch mal schnell belehrend wirken – das wollten wir nicht.
Was war Deiner Meinung nach der größte Erfolg? Der größte Erfolg war, dass die Festivalbesucher die Aktion so gut angenommen haben. Vor ihren Zelten haben wir sie auf Foodsharing und auf unsere Aktion aufmerksam gemacht. Sie haben haben uns nicht nur geduldig zugehört, sondern dann auch wirklich mitgemacht!
Habt ihr denn selbst ein bisschen die Musik genossen? Jaaaa! Das konnten wir auch – den Stand haben wir in mehreren Teams von 9 bis 20 Uhr betreut. Und danach ist auf einem Festival natürlich noch lange nicht Schluss …
Wir danken Sabrina Riddering für die Antworten.
© Fotos: Mit freundlicher Genehmigung Foodsharing
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Marius aus München hat unsere Mitmachaktion zwar verpasst, doch mit seiner Initiative, die uns leider zu spät erreicht, hätte er es ja möglicherweise auf die Shortlist geschafft. „Ich würde gerne trotzdem noch meinen Vorschlag einreichen, auf den Gewinn bin ich sowieso nicht aus“, lässt er uns wissen, weshalb wir uns kurzfristig dazu entschlossen haben, den Anhang, den er uns hat zukommen lassen, zum Download anzubieten. Wer mag, kann die Datei ausdrucken und – so wie der engagierte Foodsharing-Unterstützer – in seiner Nachbarschaft auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen und zur Verteilung geretteter Lebensmittel aufrufen. Irgendwie fast besser als die Shortlist – Danke, Marius!
*Das müssen wir nunmal schreiben: Wir haben die Datei (Open Office-Dokument) problemlos öffnen können, übernehmen aber keine Haftung für eventuell durch sie verursachte Probleme auf anderen Betriebssystemen/mit anderen Programmen. Die Inhalte verantwortet Marius D. Falls jemand direkten Kontakt zu ihm aufnehmen möchte, leiten wir entsprechende Mails gerne an ihn weiter.
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