
Stefan Schridde:
»Thema verfehlt«
MEINUNG | KOMMENTAR
[10 | 15] Im Februar dieses Jahres sind die ersten Zwischenergebnisse der Studie »Strategien gegen Obsoleszenz« veröffentlicht worden. Unter der Überschrift »Die Debatte um geplante Obsoleszenz versachlichen« haben wir dazu vor einiger Zeit ein Gespräch mit dem Studienleiter Siddharth Prakash geführt. Im Kern verweist unser Gesprächspartner vom Öko-Institut darauf, dass es sich bei dem Phänomen der geplanten Obsoleszenz um ein komplexes Wechselspiel unterschiedlichster Einflußfaktoren handele. Stefan Schridde, der Initiator der gemeinnützigen Organisation »Murks? Nein danke! e.V.«, die Produktmängeln auf den Grund geht, kommentiert für uns kritisch die von Prakash geäußerten Ansichten.
Überrascht ist der Studienleiter Prakash im Gespräch mit diesem Magazin ja davon, »dass ein großer Teil der Geräte ersetzt wird, obwohl er noch funktionsfähig ist«. Es gibt Gründe im Leben von Menschen, die dazu führen, dass sie sich von Produkten trennen. Was aber bitte hat das mit geplanter Obsoleszenz zu tun? Es geht – und das ist eine große Schwäche der Studie – ja nicht darum, sich Nutzerverhalten anzuschauen, also Nutzungsobsoleszenz zu untersuchen, sondern die Produktqualität der Hersteller und die Unterlassungen im Handel unter die Lupe zu nehmen. Geplante Obsoleszenz hat ihre Ursachen hinter der Theke – im Verantwortungsraum von „Rohstoff bis zum Regal“.
Wenig Verständnis habe ich außerdem dafür, dass den Herstellern das implizite Recht eingeräumt wird, die Lebensdauer der Produkte auf eine nur wirtschaftliche und gewinnorientierte Nutzungszeit zu setzen. Das führt doch nur dazu, dass wir uns als Kunden an immer kürzere Nutzungszeiten gewöhnen – was aber nicht heißt, dass wir sie wollen. Der grundlegende Fehler ist ja diese Perspektive: Es werden nur Erstnutzerzyklen angeschaut. Wir haben – und das muss auch klar sein – neben dem Anspruch auf Haltbarkeit eine Gebrauchtwarenkultur in Deutschland, weshalb die Hersteller doch selbstverständlich diese Nachnutzung bei der Produktentwicklung in Betracht ziehen müssen. Gleiches gilt natürlich auch für die Wartung, Reparierbarkeit, die Modularität und die Kreislauffähigkeit. Ich glaube, dass sich 80 Prozent der Menschen Produkte wünschen, die deutlicher länger halten, als die, die in vielen Regalen stehen. Dies ist unter sonst gleichen Produktherstellkosten auch möglich.
Außerdem: Bisher gibt es in der Studie doch noch keinerlei Aussage von Herstellern zur Lebensdauer ihrer Produkte. Die guten Kontakte der Studienbetreiber zur Industrie sollten hier eine bessere Datenlage ermöglichen. Vielleicht trifft es daher zu, dass nur wenig Erkenntnisse und viel Bauchgefühl im Spiel sind. Aber: Stimmt es denn etwa nicht, dass viele Menschen (noch) ältere Geräte besitzen, die mehr als dreißig Jahre funktionieren, während die entsprechenden neuen Produkte heutzutage gerade mal vier Jahre halten? Wir erkennen in unseren Untersuchungen ja eindeutig, dass bestimmte Güter in der Herstellung geplant auf Kurzlebigkeit ausgelegt sind. Da täuscht uns unser öffentliches Bauchgefühl nun mal nicht. Es stellt sich aber ja grundsätzlich die Frage: Wofür brauchen wir die wissenschaftliche Untersuchungen denn überhaupt? Gerichtsfeste Beweise braucht nur, wer klagen will. Doch wie oft muss man einen Diebstahl erkennen, um Gesetze dagegen für notwendig zu halten? Wir erkennen bereits eindeutig, dass Produkte auf Kurzlebigkeit hin entwickelt werden. Auch Ingenieure und deren Verbände bestätigen dies. Das lässt sich ja an zahlreichen Beispielen zeigen und konkret belegen.
Bei der Produktvielfalt, die wir in den Regalen haben, ist es also doch viel sinnvoller, sich die Produkte selbst genauer anzugucken und mit Experten zu sprechen. Wir brauchen eine Forschung, die konkrete Lösungswege und Handlungsoptionen aufzeigt, wie der betrieblich veranlassten Obsoleszenz begegnet werden kann. Die Studienbetreiber zeigen aber selbst, dass sie sich beim Befragen von Reparaturdienstleistern ja nicht mal über die Losgröße eins hinaus bewegt haben. Sie haben also im Prinzip noch niemanden befragt. Bei den von ihnen zusammengetragen Studien ignorieren sie deren Erkennisse zur geplanten Obsoleszenz. Und es ist daher ja schon erstaunlich, dass die Verfasser der Studie Aussagen zur geplanten Obsoleszenz machen, obwohl sie sich laut eigener Aussagen noch gar nicht selbst mit ihr auseinandergesetzt haben. Aber vielleicht kommt das ja noch. Bisher werden sie nach mehr als einem Jahr dem Kern der ihnen gestellten Aufgabe nicht gerecht. Versachlichen kann man nicht durch Weglassen erreichen.Stefan Schridde für Magazin für Restkultur
Wenig Verständnis habe ich außerdem dafür, dass den Herstellern das implizite Recht eingeräumt wird, die Lebensdauer der Produkte auf eine nur wirtschaftliche und gewinnorientierte Nutzungszeit zu setzen. Das führt doch nur dazu, dass wir uns als Kunden an immer kürzere Nutzungszeiten gewöhnen – was aber nicht heißt, dass wir sie wollen. Der grundlegende Fehler ist ja diese Perspektive: Es werden nur Erstnutzerzyklen angeschaut. Wir haben – und das muss auch klar sein – neben dem Anspruch auf Haltbarkeit eine Gebrauchtwarenkultur in Deutschland, weshalb die Hersteller doch selbstverständlich diese Nachnutzung bei der Produktentwicklung in Betracht ziehen müssen. Gleiches gilt natürlich auch für die Wartung, Reparierbarkeit, die Modularität und die Kreislauffähigkeit. Ich glaube, dass sich 80 Prozent der Menschen Produkte wünschen, die deutlicher länger halten, als die, die in vielen Regalen stehen. Dies ist unter sonst gleichen Produktherstellkosten auch möglich.
Außerdem: Bisher gibt es in der Studie doch noch keinerlei Aussage von Herstellern zur Lebensdauer ihrer Produkte. Die guten Kontakte der Studienbetreiber zur Industrie sollten hier eine bessere Datenlage ermöglichen. Vielleicht trifft es daher zu, dass nur wenig Erkenntnisse und viel Bauchgefühl im Spiel sind. Aber: Stimmt es denn etwa nicht, dass viele Menschen (noch) ältere Geräte besitzen, die mehr als dreißig Jahre funktionieren, während die entsprechenden neuen Produkte heutzutage gerade mal vier Jahre halten? Wir erkennen in unseren Untersuchungen ja eindeutig, dass bestimmte Güter in der Herstellung geplant auf Kurzlebigkeit ausgelegt sind. Da täuscht uns unser öffentliches Bauchgefühl nun mal nicht. Es stellt sich aber ja grundsätzlich die Frage: Wofür brauchen wir die wissenschaftliche Untersuchungen denn überhaupt? Gerichtsfeste Beweise braucht nur, wer klagen will. Doch wie oft muss man einen Diebstahl erkennen, um Gesetze dagegen für notwendig zu halten? Wir erkennen bereits eindeutig, dass Produkte auf Kurzlebigkeit hin entwickelt werden. Auch Ingenieure und deren Verbände bestätigen dies. Das lässt sich ja an zahlreichen Beispielen zeigen und konkret belegen.
Bei der Produktvielfalt, die wir in den Regalen haben, ist es also doch viel sinnvoller, sich die Produkte selbst genauer anzugucken und mit Experten zu sprechen. Wir brauchen eine Forschung, die konkrete Lösungswege und Handlungsoptionen aufzeigt, wie der betrieblich veranlassten Obsoleszenz begegnet werden kann. Die Studienbetreiber zeigen aber selbst, dass sie sich beim Befragen von Reparaturdienstleistern ja nicht mal über die Losgröße eins hinaus bewegt haben. Sie haben also im Prinzip noch niemanden befragt. Bei den von ihnen zusammengetragen Studien ignorieren sie deren Erkennisse zur geplanten Obsoleszenz. Und es ist daher ja schon erstaunlich, dass die Verfasser der Studie Aussagen zur geplanten Obsoleszenz machen, obwohl sie sich laut eigener Aussagen noch gar nicht selbst mit ihr auseinandergesetzt haben. Aber vielleicht kommt das ja noch. Bisher werden sie nach mehr als einem Jahr dem Kern der ihnen gestellten Aufgabe nicht gerecht. Versachlichen kann man nicht durch Weglassen erreichen.Stefan Schridde für Magazin für Restkultur
Wir danken Stefan Schridde für seine Einschätzungen.
Und Deine Meinung dazu?