Peter Meiwald, Bundestagsabgeordneter (Bündnis 90/Die Grünen) Foto: Rainer Christian Kurzeder
»Die Regierung verharrt im Stillstand«
– Peter Meiwald (Mdb) im Gespräch mit Magazin für Restkultur –
5 Fragen an den Bundestagsabgeordneten Peter Meiwald (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)
[10|15] In einer Kleinen Anfrage rund um die Zunahme von Verpackungsmüll in Deutschland hat sich die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen vor einigen Wochen an die Bundesregierung gewandt. Wissen wollten die Abgeordneten unter anderem, wieviel Verpackungsmüll in Deutschland in den letzten zehn Jahren insgesamt angefallen ist und welche Schritte die Bundesregierung dagegen bereits unternimmt oder zu unternehmen gedenkt. Federführend ausgestaltet hat die Anfrage der Bundestagsabgeordnete Peter Meiwald, den wir – wenige Tage bevor die Antwort der Bundesregierung vorlag – gebeten hatten, fünf Fragen rund um diesen Vorstoß zu beantworten.
1. Magazin für Restkultur: In Ihrer vor einigen Tagen an die Bundesregierung überreichten Kleinen Anfrage stellen Sie Verpackungsmüll-Problematiken in den Mittelpunkt. Wenn Sie einen Blick nach vorne werfen: Mit welchen Antworten rechnen Sie?
Peter Meiwald: Die Antworten des Umweltministeriums liegen uns bereits vor. Und sie beweisen, was wir bereits geahnt haben: Unsere Wegwerfgesellschaft ertrinkt in immer mehr Verpackungen. Die Menge an Verpackungsmüll wächst seit 2009 unaufhaltsam. Deutschland ist Europameister – wir produzieren mit Abstand am meisten Verpackungsmüll in der gesamten EU – insgesamt und pro Kopf. Auf diesen Meistertitel können wir nicht stolz sein. Alleine die Menge von Kunststoffverpackungen hat seit 2009 um fast ein Drittel zugenommen. Immer mehr Verpackungen heißt auch immer mehr Müll. Ressourcen wie Erdöl werden verschwendet für Verpackungen, die nur wenige Minuten genutzt werden. Kaffeebecher zum Mitnehmen kommen nur ca. 15 Minuten zum Einsatz, Plastiktüten nur wenig mehr als 20 Minuten. Gegen diese Ex-und-hop-Kultur wollen wir Grünen angehen. Denn die Ressourcen, die uns der Planet zur Verfügung stellt, sind begrenzt. Wenn alle Menschen so leben würden wie wir, bräuchten wir drei Erden, und die haben wir nicht.
2. Herr Meiwald, Sie schlüpfen für einen Moment in die Rolle der amtierenden Umweltministerin. Wie sieht die von Ihnen formulierte Antwort dann aus?
Wir brauchen endlich ein Wertstoffgesetz, das die Wertstoffe aus unseren Abfällen herausholt und in ein gutes Recycling bringt. Dieses ist an sich unstrittig zwischen allen Fraktionen im Bundestag, aber dem Umweltministerium gelingt es nicht, einen Entwurf vorzulegen, der ökonomische Anreize zur Abfallvermeidung schafft und tatsächlich zu einem ökologischeren Umgang mit unseren Abfällen führt. Deswegen werden viele Wertstoffe aus unserem Hausmüll nach wie vor verbrannt. Angekündigt ist ein solches Gesetz seit mehreren Jahren. Wir Grüne haben unsere Vorschläge im letzten Jahr vorgelegt. Die Regierung verharrt im Stillstand.
Ich würde außerdem dafür sorgen, dass für Gewerbeabfälle – die machen etwa die Hälfte aller Verpackungen aus – genauso hohe ökologische Anforderungen gelten wie für Hausmüll. Das ist derzeit nicht der Fall. Für mich ist es unverständlich, warum es Anforderungen für private Haushalte gibt, die für Industriemüll nicht gelten.
Um die Abfallvermeidung voranzubringen, halten wir die Einführung einer ökologisch lenkenden Ressourcenabgabe für notwendig. Ein ressourcenschonendes Produkt- und Verpackungsdesign muss sich auch wirtschaftlich lohnen. Doch nicht einmal in diesem Ziel scheint die Regierung mit uns übereinzustimmen. Sie schreibt in ihrer Antwort, dass sie nicht vorhat, etwas gegen den Trend zu immer mehr Verpackungsmüll zu unternehmen. Das ist aus meiner Sicht völlig inakzeptabel.
Betrug die Menge an Kunststoffmüll im Jahr 2003 noch 2070,5 Kilotonnen (Kt), sind es im Jahr 2013 bereits 2873,3 Kt (Quelle: Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage Bündnis 90/Die Grünen Sept. 2015)
3. Gibt es Ihres Erachtens wie bei vielen anderen Umweltfragen auch eine gemeinsame Verantwortung aller oder muss zunächst ein entsprechendes Umfeld politisch gestaltet werden?
Eine gemeinsame Verantwortung aller für den Umgang mit unseren Ressourcen gibt es auf jeden Fall, dafür muss natürlich auch sensibilisiert werden. Politik hat aber aus meiner Sicht gerade die Aufgabe, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass „Verschwendung“ nicht weiter belohnt wird, sondern der sorgsame Umgang mit den Wertstoffen. Dafür müssen die Kosten für den Verbrauch von Ressourcen in die Produkte einbezogen werden. Wir Grüne fordern daher Ressourcenabgaben, die die ökologische Wahrheit sagen. Der Verbrauch von neuen Rohstoffen muss teurer sein als die Nutzung von Recyclingstoffen.
4. Die Verpackungsmittelindustrie dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach nur wenig begeistert von Ihren obigen Antworten und Ihrem parlamentarischen Vorstoß sein. Wie glauben Sie kann es gelingen, auch davon zu überzeugen, dass nicht zuletzt auch dort über Alternativen nachgedacht werden muss – und zwar bevor die Politik unter Umständen regulierend eingreift?
Mein Eindruck ist, dass auch vielen Menschen in der Industrie die Probleme bereits bewusst sind. Aber solange es schwarze Schafe bei den Verpackungsherstellern gibt, die die günstigen Rohstoffe schamlos ausnutzen und immer größere und immer billigere Verpackungen anbieten, sind ökologisch denkende Hersteller leider meistens nicht konkurrenzfähig. Daher braucht es verbindliche Vorgaben der Politik, damit alle nach den selben Regeln ihre Preise festlegen, und nicht weiterhin auf Kosten unserer Natur produziert wird. Das ist meiner Meinung nach im Interesse aller, auch der Hersteller.
Einen Grund für die Zunahme von Papier und Kartonagen sieht die Bundesregierung unter anderem in dem Zuwachs an Versandhandelsartikeln (Quelle: Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage Bündnis 90/Die Grünen Sept. 2015)
5. Zum Schluss einen Blick in die nächsten zehn Jahre, Herr Meiwald: Wie optimistisch sind Sie, dass eine zumindest partielle Umstellung auf »intelligente Alternativen« wie kompostierbare Verpackungen oder verpackungsfreie Lebensmittelmärkte gelingen kann?
Wir Grüne arbeiten eng mit den Entwicklern zusammen, die Alternativen erforschen. Für Plastik, bei dem es wahrscheinlich ist, dass es in der Landschaft verbleibt – Agrarfolien zum Beispiel – müssen Kunststoffe zum Einsatz kommen, die sich unter natürlichen Bedingungen biologisch abbauen. Da besteht aber durchaus noch Forschungsbedarf, damit am Ende nicht Mikroplastik im Boden zurückbleibt.
Und »Unverpackt«-Läden, wie hier in Kreuzberg, oder Einkauf auf dem Wochenmarkt zeigen einen weiteren Weg, wie es gehen kann. Die Zeit ist auch bei vielen Kundinnen und Kunden reif für ein Umlenken mit dem Einkaufskorb. Das ist ermutigend!
Ich sehe aber in der Masse nur geringe Chancen für diese Innovationen und neuen Ansätze, solange die schwarz-rote Bundesregierung keine Schritte unternimmt, sich für mehr Abfallvermeidung, besseres Recycling und neue Technologien einzusetzen. Ich hoffe hierbei auch Druck aus der Gesellschaft, die sich gegen den jetzigen Verpackungsmüll wendet. Ich halte das Vorgehen der Regierung – Füße stillhalten und abwarten – für einen großen Fehler. Wir brauchen dringend weitere Umweltinnovationen. Insgesamt bin ich eher pessimistisch gestimmt, dass wir hier in naher Zukunft vorankommen, solange die Regierung dieses blockiert.
Herr Meiwald, wir danken für das Gespräch.
Zur Person
PETER MEIWALD
Peter Meiwald (Jhrg. 1966), Oldenburg/Berlin
Seit Oktober 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages (Bündnis 90/Die Grünen)
Mitglied des Ausschuss für Umwelt, Naturschutz/stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung
Kleine Anfrage – und die Antwort der Bundesregierung
Mit 25 Fragen rund um Verpackungsmüll wendet sich die Fraktion von Bündis 90/Die Grünen in der Kleinen Anfrage vom 23. September 2015 an die Bundesregierung. In ihrer Antwort vom 09. Oktober nimmt diese Stellung dazu. Die Anfrage – und die Antworten darauf – sind beim Dokumentations- und Informationssystem des Deutschen Bundestageseinsehbar.
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