
»Wir Minimalisten tragen also dazu bei, dass es der Wirtschaft nicht gut geht – ein ziemlich bizarrer Gedanke.«
– Michael Klumb im Gespräch mit Magazin für Restkultur –
5Fragen an Michael Klumb, Minimalist
[08|15]»Minimalismus ist die von vielen Menschen gemachte praktische Erfahrung, dass weniger mehr sein kann und dass man viel weniger braucht, als man aktuell besitzt – und damit auch gut auskommt«, fasst Michael Klumb seine Vorstellung davon zusammen, was Minimalismus eigentlich ist. Klumb ist ein zurückhaltender Mensch, der kein Aufheben um seine Person machen möchte. Eher zufällig und wider Willen, wie er sagt, ist er so etwas wie das Gesicht der Minimalisten-Bewegung in Deutschland geworden. Wir sind im Rahmen eines Minimalisten-Treffens in Frankfurt mit ihm ins Gespräch gekommen. Wissen wollten wir unter anderem, was ein Minimalist eigentlich einem Menschen sagt, der nicht freiwillig, sondern notgedrungen Verzicht üben muss.

1. Es macht den Eindruck, als seien Minimalisten in letzter Zeit sehr stark in den Medien vertreten. Was wirst Du vermissen, wenn die mediale Aufmerksamkeit sinkt und auch Du eventuell kein gefragter Radio- und Fernsehinterviewpartner bist?
Es ist wirklich so, dass das Thema in den letzten eineinhalb Jahren in Frauenzeitschriften und Magazinen sowie im Rundfunk und im Fernsehen eine starke Präsenz erfährt. Aber: nein, vermissen werde ich nichts, denn die mediale Präsenz raubt auch Zeit. Es ist zwar schön, dass ich die Gelegenheit bekomme, über Minimalismus zu sprechen, doch das, was sich heute Minimalist nennt, hat es im Grunde schon immer gegeben. Die Blogger sind jetzt nur so etwas wie die Speerspitze, die eine höhere Aufmerksamkeit erhält. Es passiert sogar oft, dass wir an den Stammtischen neue Menschen treffen, die schon seit vierzig Jahren so leben und die nur auf uns stoßen, weil sie das Wort „Minimalist“ interessant finden. Das Interesse an solchen Themen läuft aber in Zyklen ab und die Medien werden da nicht ewig hinterherrennen.

2. Manch einer steht Minimalisten womöglich aber auch skeptischer gegenüber. Welche Kritik am Minimalismus hörst Du so gar nicht gerne?
Oft wird Minimalismus auf das Aussortieren von irgendwelchen Dingen reduziert, aber das ist es ja nicht. Es geht um die grundsätzliche Frage danach, was ich mit meinem Leben anfangen will; was mich glücklich macht. Eine andere Kritik kommt von denjenigen, die glauben, dass wir das Wirtschaftssystem in irgendeiner Weise kaputt machen. In ihren Augen wird Wachstum ja durch Konsum generiert. Wir Minimalisten tragen also dann dazu bei, dass es der Wirtschaft nicht gut geht – ein ziemlich bizarrer Gedanke. Ich sehe das so: Wenn man anfängt, Dinge in seinem Leben zu reduzieren, kann man sich ja anschließend fragen, was man mit der so gewonnen Zeit anfangen kann.
Unser Gespräch findet eher zufällig in einem Nebenraum des eigentlichen Veranstaltungsortes statt. Eine Küche aus den 1960er Jahren bildet die verschroben-antiquierte Kulisse zu unserem Interview und dient außerdem als Ideengeberin für unsere nächste Frage.
3. Blicken wir uns um, sehen wir einen relativ karg eingerichteten Raum, in dem alles so ein bißchen „wie früher“ wirkt. Schwingt bei dir und vielleicht auch anderen Minimalisten die Sehnsucht nach der vermeintlichen Einfachheit früherer Zeiten mit?

Das mit dem einfacher würde ich auf jeden Fall unterstreichen. Es gab früher nicht diese Riesenauswahl, die uns heute enorm herausfordert. Wir gehen heute in den Supermarkt und finden ein übergroßes Angebot an allem möglichen vor. Dazu kommt noch dieser Zwang zur Individualität vieler Menschen. Man muss sich ja in irgendeiner Weise individuell ausdrücken und das macht uns doch auch ziemlich unfrei. Viele Menschen sind ja außerdem nicht zufrieden mit dem, was sie haben – obwohl (oder gerade weil) sie ja alles mögliche besitzen …

4. Michael, wenn man sich an die Stelle einer großen Zahl von Menschen auf der Welt versetzt, könnte man sie vielleicht so etwas sagen hören wie: „Das, was die Minimalisten im reichen Deutschland machen, ist das, was ich täglich erlebe. Und zwar, weil ich muss und keine andere Wahl habe“. Was würdest Du entgegnen?
Es ist ja tatsächlich so, dass das was wir machen, auf einem sehr hohen Niveau passiert. Und natürlich liegt der Unterschied darin, dass ich nicht so leben muss, sondern so leben will. Auf der einen Seite geschieht das Minimalist-Sein zwar nicht aus einem sozialen Solidarisierungsantrieb heraus, aber indirekt trägt ja unser Verzicht vielleicht auch dazu bei, dass Menschen eventuell vergünstigt oder umsonst an die Dinge gelangen, von denen wir uns trennen. Diese würden sie ja sonst vielleicht nicht haben. Im Fokus steht aber tatsächlich eher die individuelle Suche nach Glück und nach Zufriedenheit, das ist richtig.
5. Zum Schluss: Magazin für Restkultur macht Dich für einen Tag zum König von Deutschland. Was tust Du?

(überlegt) Neben vielen anderen Sachen würde ich gerne das Thema bedingungsloses Grundeinkommen nach vorne bringen. Es gibt ja eine ganze Reihe Studien dazu, aber es würde mich interessieren, wie und ob es in der Praxis funktioniert. Also: Was passiert, wenn jeder ein gewisses garantiertes Grundeinkommen hat und ganz frei und ohne Existenzdruck einer Tätigkeit seiner Wahl nachgehen kann?
Wir danken Michael Klumb für das Gespräch.