Ein Klotz für die Ewigkeit

In 20 Meter hohen Blöcken gespachtelter Beton erstreckt sich vor unseren Augen. Das Surren der Fliegen in der flirrenden Julihitze scheint ebenso unwirklich wie das friedliche Knirschen der Kieselsteine unter unseren Füßen. Das Sonnenlicht tänzelt in zerschlagenen Fensterscheiben und von irgendwoher weht der sanfte Wind Kinderlachen und Meeresrauschen herbei. Wir sind in Prora – einem über 4,5 Kilometer langen und 20 Meter hohen Wohn- und Freitzeitkomplex des Dritten Reichs. 
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Eindrücke vom Seebad Prora

 

Was übrig bleibt
Das also ist, was ewig bleibt. Ein Rest aus einer Zeit, die niemals in Vergessenheit geraten sollte. So wuchtig. So unzerstörbar: Der Koloss von Prora. Innerhalb von nur drei Jahren zieht der Architekt Clemens Klotz mit seinen Bauarbeitern, das von Hitler 1936 in Auftrag gegebene, Seebad-Rügen hoch. Die „Kraft durch Freude“-Bewegung wollte es 20.000 Menschen hier gleichzeitig möglich machen, ihren Urlaub zu verbringen. Um danach gestärkt dem Dritten Reich an der Heimatfront oder im Krieg zu dienen. Jedes Zimmer sollte identisch zu dem des Nachbarn sein. Für Leibesübungen waren Sportplätze geplant und besonders beliebt sollte natürlich der unvergleichliche Blick auf die Ostsee sein.

Hermetisch abgeriegelt
Dann kam der Krieg – der Bau blieb unvollendet. Allerdings soweit fortgeschritten, dass der Rest, der übrig blieb, noch heute Zeugnis von unvergleichlichem Größenwahn darstellt – und eine Bausubstanz bot, die sich die DDR Anfang der 50er Jahre zu Nutze machte: Aus der geplanten Ferienanlage wurde kurzerhand eine monströse und hermetisch abgeriegelte Kasernenlandschaft. Bis 1991 gaben sich die Soldaten hier die Klinke in die Hand und Prora war militärisches Sperrgebiet. Bis zum Jahr 2010 hat es allerdings gedauert, bis dieser Erinnerungsrest in Prora eine Würdigung fand: Seitdem weist eine Gedenktafel auf die DDR-Bausoldaten hin.

Fast in Vergessenheit geraten
Heute wird der Koloss noch einmal umfunktioniert. Die Blöcke 1, 2 und 3 gehören Privatinvestoren, die dort Hotel- und Wohnanlagen planen und bauen. Eine Jugendherberge für 400 Personen ist in den nördlichen Abschnitt von Block 5 eingezogen. Der südliche Abschnitt von Block 5 und Block 4 stehen leer. Ohne Nutzungskonzept, wie es heißt. Dass die doppelte Vergangenheit von Prora beinahe in Vergessenheit geraten wäre, mag man sich lieber nicht vorstellen. Der Initiative Denk-MAL-Prora um den Historiker Stefan Wolter ist es zu verdanken, dass dies nicht passiert ist – Erinnerungskultur als Teil der Restkultur.

Plan Prora 1945+2009
Plan der KdF-Anlage um 1945 und im Jahr 2009 ©Presse03
MS Text/Fotos für magazin-restkultur.de | © Magazin für Restkultur 2015

 

 

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