Die »Dirty Girls« auf Lesbos: saubere Sache.

Fünf Fragen an | five questions to … Alison Terry-Evans, »Dirty Girls«

Alison Terry-Evans bei ihrer Arbeit auf Lesbos | Alison Terry-Evans at work on Lesvos

»Die fliehenden Menschen kommen ja völlig durchnässt an und selbst die Klamotten, die sie in ihren Taschen dabei haben, sind so nass, dass sie sich davon trennen.« »People arrive drenched and cold from the sea. Even the clothes they bring in their bags are often completely wet so they have to discard them also.«

– Alison Terry-Evans –

[02|15] Der Krieg in Syrien dauert an – und damit die Flucht unzähliger Menschen aus diesen und anderen Krisengebieten. Mit dem Ziel Europa zu erreichen, begeben sich viele von ihnen auf eine gefährliche und nicht selten tödliche Reise. Eine der Fluchtrouten führt von der türkischen Küste auf eine der zahlreichen griechischen Inseln. Nach einer knapp dreistündigen Überfahrt erwarten den Flüchtenden, wie auf der griechischen Lesbos, eventuell nicht nur Helfer. Vielleicht sind auch Aktivisten der »Dirty Girls« in der Nähe, die sie zusätzlich mit trockener Kleidung ausstatten. Doch wohin mit den Bergen voller zurückgelassener nasser und schmutziger Kleidungsstücke? Die Amerikanerin Alison Terry-Evans, der wir einige Fragen rund um die von ihr gegründete Initiative stellen konnten, hat da vor einiger Zeit eine Idee gehabt. The war in Syria continues – and thus countless people keep on fleeing from these and other crisis areas. With the aim to reach Europe, many of them embark on a dangerous and often deadly journey. One of the routes refugees use leads from the Turkish coast to one of the the Greek islands. After a nearly three-hour crossing the fugitives not only helpers are waiting for them, as on the Greek island of Lesbos. In some cases, activists of the „Dirty Girls“ are present, to equip them with dry clothes. But what is to do with the massive amount of wet and dirty clothes? We were able to interview Alison Terry-Evans who had an idea some time ago with some questions about the initiative she founded.
RSTKLTR-Dirty-Girls#2
»In den Wintermonaten waschen wir täglich bis zu 300 Kilo Kleidung.« | »During the winter months we are washing up to 300 kilos of clothes.«
1. Alison, du hast die Initiative »Dirty Girls« gegründet, die auf Lesbos und anderen griechischen Inseln die von Flüchtenden zurückgelassene Wäsche einsammelt, wäscht und anderen Flüchtlingen wieder zur Verfügung steht. Welches Ziel verfolgen die »Dirty Girls«? Alison, you have established the initiative „Dirty Girls“ that collects, washes and redistributes the clothes left by fleeing on Lesvos and other Greek islands. What is your goal?
Unter anderem wollen wir diesen Menschen, die mehr als genug bis zu ihrer Ankunft auf Lesbos gelitten haben, unseren Respekt entgegenbringen. Die fliehenden Menschen kommen ja völlig durchnässt an und selbst die Klamotten, die sie in ihren Taschen dabei haben, sind so nass, dass sie sich davon trennen. Das ist aber nicht nur hier, sondern auch auf den anderen Inseln so. Die Menschen sind dankbar, dass sie trockene und warme Kleidung erhalten nach den erschütternden Erfahrungen, die sie auf See gemacht haben. Among other things, we want to show respect for people who have suffered more than enough on their journey to get to Lesvos. People arrive drenched and cold from the sea. Even the clothes they bring in their bags are often completely wet so they have to discard them also. This is the same on all of the islands. People are grateful to be given dry warm clothes after harrowing experiences on the sea. 

2. Wie sieht eure Arbeit konkret aus? What does your work involve?

An den Ankunftspunkten der Flüchtlinge werden die Kleidungsstücke von Freiwilligen (übrigens sind auch »Dirty Boys« dabei) zurückgehalten und für die »Dirty Girls« etikettiert oder von Freiwilligen und anderen Gruppen an den Stränden gesammelt. Die zurückgelassene Kleidung wird von Fahrzeugen einer örtlichen Reinigung dorthin gefahren, wo »Dirty Girls« die Kleidung sortieren und in die Waschmaschinen befördern. Die Wäscherei hat sogar zehn zusätzliche Mitarbeiter für das Sortieren und Waschen, aber auch Fahrer, eingestellt. Wir setzen alle Sorgfalt daran, dass an den Kleidungsverteilstellen Kleidungsstücke zu finden sind, die dem Alter und den Tragegewohnheiten der Menschen angemessen sind. Wir waschen außerdem um die Tausend Decken und Schlafsäcke am Tag – und zwar auf Standards, die den üblichen Anforderungen in Krankenhäusern entsprechen. The clothes are now saved and labelled for Dirty Girls by the volunteers in the change rooms at arrival points, picked up on beaches by volunteers from Dirty Girls (by the way: there are »Dirty Boys« too) and other groups and by the cleaners at the camps. The clothes are picked up in laundry trucks taken to the laundry where Dirty Girls sort the clothes ready for the washing machines. The laundry employs at least 10 local people to wash and sort as well as truck drivers. The clothes are the sizes, styles and modesty levels wanted. All care is given at clothing distribution points to give clothes that are suitable for people’s age, style and modesty levels. We launder blankets and sleeping bags. About a thousand a day. These are laundered to hospital standard. 

3. Wie bist du auf die Idee gekommen? How did you get that idea?

Menschen zeigen sich ja betroffen, wenn sie die Stapel von Rettungswesten an den griechischen Stränden sehen. Es würde aber ein ebenso großer Haufen mit Kleidung, Decken und Schlafsäcke zusammenkommen, wenn wir nicht angefangen hätten, dies zu ändern. Perfekt erhaltene Kleidung wegzuschmeißen, weil sie nass und schmutzig ist, ist einfach nicht sinnvoll. Dagegen wollte ich etwas tun. People get upset when they see the local dumps full of life jackets, but there would be a pile just as large of clothes, blankets and sleeping bags if we hadn’t stopped trashing them. Throwing away perfectly good clothes because they are wet and dirty doesn’t make sense. I wanted to do something against. 

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»Meistens sind die Sachen ja in einem guten Zustand.« | »Clothes are mostly in good condition.«
4. Wie groß sind die Wäschemengen? How large are the amounts of laundry?
In den Wintermonaten waschen wir täglich bis zu 300 Kilo Kleidung (Trockengewicht). Jede Woche gibt es außerdem »Dirty Girl Zusammensteck«-Partys, bei denen um die 3.000 Paar schmutziger Socken zusammengesteckt werden, so dass sie beim Waschen und Trocknen zusammen bleiben. Wollmäntel sortieren wir zusätzlich aus und trocknen sie separat, damit sie wieder gut aussehen. Meistens sind die Sachen ja in einem guten Zustand – häufig sind auch viele teure Markenklamotten dabei. Diese Kleidungsstücke stellen die kontinuierliche Versorgung für die vom Meer kommenden und durchnässten Menschen sicher, die sowohl mit Blick auf ihre Kleidergrößen als auf die eher bescheidenen Ansprüche passen. During the winter months we are washing up to 300 kilos (dry weight) of clothes.  Every week there are Dirty Girl Pinning Parties where about 3,000 pairs of dirty socks are pinned so that they will stay together through the wash and drying process. We single out woollen overcoats so that they can be pressed and beautifully presented. Clothes are mostly in good condition: often they are expensive brand names. The clothes represent a continual supply of replacements for those arriving from the sea in wet clothes.
5. Zum Schluss, Alison: Wie glaubst Du, kann das Problem gelöst werden? Finally, Alison: How do you think the problem can be solved?
Es gibt nur eine Lösung: Es muss den Menschen eine freie Einreise gestattet werden, damit sie nicht ihr und das Leben ihrer Kinder aufs Spiel setzen, in dem sie Räubern und Mördern die Überfahrt bezahlen müssen. Was mich am meisten erschüttert, ist dass sich alle Regierungen mangels einer entsprechenden Vorgehensweise zu Komplizen an dem Tod Tausender Kinder, Frauen und Männer machen, die bereits ertrunken sind. Das schönste ist aber, dass Menschen aus aller Welt gekommen sind, um zu helfen. Jeder einzelne macht damit deutlich, dass er gegen die Untätigkeit oder falschen Vorgehensweisen rund um die Flüchtlingssituation macht. There is only one solution. Give people safe passage so that they don’t have to risk their lives and the lives of their children while paying thieves and murders. Open the borders and take advantage of the vocational and personal skills that these people offer. The worst thing for me is knowing that by their lack of positive action to create safe passage, all our governments are complicit in the deaths of thousands of children, women and men who have drowned. The best thing is that people from all over the world have come here to help. By the very action of being here they are demonstrating that they oppose the inaction or wrong actions surrounding the refugee situation.
 
©Fotos: Alison Terry-Evans|Dirty Girls
ME für magazin-restkultur.de | © Magazin für Restkultur 2016

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