»Das kommt nicht in die Tüte!«

Genau das sagen sich die zahlreichen Initiatoren von alternativen Supermarkt-Konzepten, die sich bundesweit daran machen, überflüssigen Umverpackungen den Kampf anzusagen. Denn: Nur einmal genutzte Kunststoffbecher, -flaschen und sonstige Verpackungssysteme tragen nicht nur zu einer Vielzahl von Umwelt- und Entsorgungsproblemen bei – in vielen Fällen sind sie schlichtweg überflüssig. Was sich ja besonders gut daran ablesen lässt, dass sie nach ihrer Nutzung nur einem einzigen weiteren Zweck zugeführt werden können: Sie landen im Müll. In einem besonderen Schwerpunkt stellen wir Konzepte und Macher vor, die zeigen, dass es auch ohne Tüten, Umverpackungen und Co. geht. 
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ORIGINAL UNVERPACKT
Sarah Pollinger, Lola Mora, Sara Wolf und Milena Glimbovski
Das Original Unverpackt-Team: Sarah Pollinger, Lola Mora, Sara Wolf und Milena Glimbovski
»Ohne Umverpackungs-Tamtam«
[07|14] Wenn im Spätsommer dieses Jahres ein neuer Berliner Lebensmittelmarkt Namens „Original Unverpackt“ an den Start geht, erfüllt sich nicht nur für das Gründungsteam ein Traum. Auch die Herzen unzähliger Unterstützer, die an der Crowdfunding-Aktion von „Original Unverpackt“ teilgenommen haben, dürften höher schlagen. Der Name ist schließlich Programm: Im Ladeninnern wird man vergebens nach bunt bedruckten Folien, Kartons und sonst wie Eingetütetem suchen. Wir haben Sarah Boeck von „Original Unverpackt“ gebeten, fünf Sätze rund um das Konzept ihres verpackungsfreien Supermarktes zu vervollständigen.
  • Bei „Original Unverpackt“ werden nur unverpackte Lebensmittel erhältlich sein, weil …
    … wir allein in Deutschland jährlich 16 Mio. Tonnen Abfall durch Verpackungsmüll produzieren, die unseren Planeten belasten, uns selbst schaden sowie eine erhebliche Menge an Rohstoffen verschwenden. Daher wird es bei uns ausschließlich entweder unverpackte oder in Mehrwegsystemen verpackte Lebensmittel, wie zum Beispiel Milchflaschen aus Glas geben.
  • Es war endlich Zeit dafür, denn … 
    … das Crowdfunding-Ergebnis von 115.000 Euro hat gezeigt, dass die breite gesellschaftliche Mitte unser Konzept umgesetzt sehen möchte. Den Menschen ist es wichtig, sich bewusst mit ihrer Ernährung auseinanderzusetzen; zu wissen, was in ihren Lebensmitteln drin ist. Über das Crowdfunding hinaus erhielten wir aber auch aus der ganzen Welt Zuspruch.
  • Wer bei „Original Unverpackt“ einkauft, findet alles außer …
    … Tiefkühlkost – zumindest vorerst. Unser Erfahrungswert ist jedoch, dass sich immer wieder neue Lösungen finden lassen, um möglichst alle Lebensmittel unverpackt anbieten zu können. Für alles, was wir jetzt noch nicht anbieten können, werden wir zukünftig geeignete Lösungen finden.
  • Die bislang größte Hürde war …
    … die Immobilien-Suche in Berlin. Das kennt ja jeder, der hier eine Wohnung sucht.
  • Herkömmliche Supermärkte könnten von uns lernen, dass … 
    … es für die Kunden nur das Beste geben muss. Damit meinen wir vor allem, dass keiner mit Verpackungs-Tamtam in die Irre geführt werden soll, sondern es Aufgabe der Lebensmittelbranche ist, wertige Nahrungsmittel für jeden Geldbeutel anzubieten. Unverpackte Lebensmittel sollten zukünftig ein Qualitätsmerkmal sein.

Sarah, vielen Dank!

 

©Foto: Mit freundlicher Genehmigung Sarah Boeck 

 

UNVERPACKT KIEL

»Weil sich etwas ändern muss.«

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[09|14] In unserem Schwerpunkt verpackungsfrei Einkaufen haben wir bislang von Projekten gesprochen, die in Planung sind oder kurz vor der Umsetzung stehen. Diesmal werfen wir aber einen Blick auf einen Laden, der schon vor einem halben Jahr seine Eröffnung feierte: Unverpackt Kiel. Wir haben mit der Gründerin Marie Delaperrière gesprochen und mehr darüber wissen wollen, welche Erfahrungen sie und ihre Kunden und Lieferanten bisher damit gemacht haben.

Magazin für Restkultur: Seit Februar 2014 gibt es Unverpackt Kiel – wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Konzept? Marie Delaperrière: Meine Erfahrungen sind durchweg positiv. Die Idee wurde gut angenommen und es gibt offensichtlich viele Menschen, die schon lange auf die Möglichkeit zum verpackungsfreien Einkauf gewartet haben. Jetzt, nach gut einem halben Jahr, hat sich eine feste Stammkundschaft entwickelt, die stetig wächst. Auch die Umstellung auf Einkaufsbehälter erscheint nicht so kompliziert, wie wir es anfangs gedacht haben.

Im Gespräch mit: Marie Delaperrière

Wie kam es eigentlich dazu, Frau Delaperrière? Und warum ausgerechnet Kiel? Die Frage danach, warum wir uns Kiel niedergelassen haben, ist schnell beantwortet: Ich lebe seit fünf Jahren mit meiner Familie in Kiel und wir fühlen uns hier wohl und angekommen. Daher lag es natürlich nahe, diese Idee auch hier umzusetzen. Der Weg dahin ist auch schnell erzählt. Im November 2012 habe ich einen Artikel über Bea Johnson* in Le Monde gelesen und war beeindruckt, wie diese Frau es geschafft hat, drei Jahre lang keinen Müll zu produzieren. Nach einem Einkauf für meine fünfköpfige Familie lag irgendwann ein riesiger Berg Verpackungsmüll vor mir. Da habe ich gedacht: Es muss sich etwas ändern! Meine Recherchen zeigten, dass es in anderen Ländern durchaus Möglichkeiten gibt, verpackungsfrei einzukaufen. Warum also in Deutschland nicht? Hier war die Idee geboren, einen Laden wie Unverpackt Kiel zu eröffnen. Und diese Idee ließ mich nicht mehr los, bis ich mit der Umsetzung im Februar begonnen habe.

Eigentlich eine ganz einfache Idee, oder? Früher war es ja nicht anders …  Ja, da haben Sie recht. Das ist auch ein Motor für mich, den Menschen wieder ein natürliches Einkaufserlebnis zu vermitteln, in dem Sie direkt sehen, was sie kaufen, ohne dass die Ware dreifach“ verpackt ist. Auch die Nähe zum Kunden und das persönliche Gespräch ist uns wichtig und soll Vertrauen schaffen. Wir möchten dem Menschen wieder einen Bezug zum Lebensmittel geben, so wie es früher schon einmal war  – und wieder gewollt ist.

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Einfach. Unverpackt.

Welche Produkte kann ich denn bei Ihnen kaufen – und welche nicht? Mein Sortiment umfasst vorwiegend trockene und langhaltbare Waren wie Trockenfrüchte, Getreide, Müsli, Flocken, Mehl, Nüsse, Süßwaren, Nudeln,Gewürze, Kaffee, Tee, Spirituosen, Essige, Öle und Reinigungsmittel. Ebenso Obst, Gemüse und Eier. Was Sie bei uns nicht bekommen, sind Fleisch und Fleischwaren sowie Fisch. Zur Zeit fehlen auch noch Milch und Milchprodukte im Sortiment, dies wir sich aber in Kürze ändern.

Ihre Lieferanten mussten doch mit Sicherheit umdenken, oder? Die Zulieferer, die wir momentan haben, sind es gewohnt in großen Gebinden zu liefern. Bei einigen war sicher anfänglich etwas Skepsis vorhanden, als sie hörten, dass die Ware anschließend lose an den Verbraucher abgegeben werden soll. Wir konnten aber mit unserem Konzept überzeugen. 

Unverpackt Kiel: Ein Laden für alle oder tendenziell doch eher für nachhaltig-ökologisch denkende Menschen? Unser Kundenstamm ist bunt gemischt, neben nachhaltig-ökologisch denkenden Menschen kommen viele, die bedarfsgerecht einkaufen möchten und die sich nicht von Verpackungsgrößen vorschreiben lassen möchten, wie viel sie von einen Produkt kaufen müssen. Und viele kommen anfänglich aus Neugier, aber dann immer wieder, weil sie die Qualität unserer Waren überzeugt hat. 

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Alles „ohne“

Wird auch an ein Filialnetz gedacht? Seit Juni arbeiten wir an einem Franchisesystem für das Konzept und wollen im Herbst damit starten.

Können Sie schätzen, wie viel Umverpackungsmüll Unverpackt Kiel bisher vermieden hat? Ich fürchte, dass ich dazu einfach nichts sagen kann – jedenfalls jede Menge! 

Frau Delaperrière, vielen Dank!

Unverpackt Kiel
Holtenauer Str. 85 (Eingang Waitzstrasse) // 24105 Kiel //
unverpackt-kiel.de
©Fotos: Berit Ladewig mit freundlicher Genehmigung Marie Delaperrière
 
*Bea Johnson: Bekannte Vorreiterin der Zero Waste-Bewegung zerowastehome.blogspot.de
ME für magazin-restkultur.de | © Magazin für Restkultur 2014
UNVERPACKT MAINZ
LOSE DRESDEN

Denjenigen, die sich Plastikverpackungen ausdenken, würde ich gerne sagen, … dass sie mit dem heute verdienten Geld, am Ast ihrer Kinder und Kindeskinder sägen.

– Berit Heller im Gespräch mit Magazin für Restkultur –

[07|15] Plastik- und Kartonumverpackungen begegnen uns überall und erweisen sich als praktisch unverzichtbar. Überall und unverzichtbar? Nicht ganz. Denn heute vor genau 100 Tagen feierte in der sächsischen Landeshauptstadt ein weiteres Lebensmittelgeschäft seine Eröffnung, in dem gänzlich auf Umverpackungen verzichtet wird. Anders als in herkömmlichen Geschäften werden bei Lose Dresden Nudeln, Reis oder aber auch Tierfutter nämlich nicht verpackt, sondern eben lose angeboten. Ein Konzept, das sich eines wachsenden Zuspruchs erfreut  und darauf schließen lässt, dass wir Menschen Umverpackungen höchstenfalls als praktisch empfinden – auf den damit einhergehenden Verpackungsmüll aber verzichten wollen.

Wir haben zum Hunderttägigen mit der Besitzerin und Ideengeberin Berit Heller gesprochen, zehn Sätze vorgegeben – und ihr den Rest überlassen …

1. Am Tag 1 von Lose Dresden war ich sicher, dass …
. . .  ich mit dem Konzept des Ladens bei vielen Menschen offene Türen einrennen werde.

2. Nach 100 Tagen Lose Dresden ziehe ich das Fazit, dass …
. . .  mit der Eröffnung des Ladens viele offene Türen eingerannt, aber ebenso viele neue geöffnet wurden.

3. Es gibt eigentlich keinen Grund, dass nicht alle Supermärkte unverpackt verkaufen, denn …
 . . .  der Nutzen wiegt den (zugegebenermaßen existierenden, aber kleinen Mehraufwand) bei Weitem auf!

4. Denjenigen, die sich Plastikverpackungen ausdenken, würde ich gerne sagen, dass …
. . .  sie mit dem heute verdienten Geld, am Ast ihrer Kinder und Kindeskinder sägen.

5. Langsam wird es Zeit, dass die Entscheider aus Politik und Wirtschaft einsehen, dass es mit viel weniger Verpackung geht, denn …
. . .  (auch wenn es mehr und mehr kleinere und größere Privatinitiativen gibt und die Schar der Menschen immer mehr wächst, die für dieses Thema sensibel werden) eine grundlegende Wende kann  nur durch Gesetze erreicht werden.

6. Verpackungen kann man aber zugutehalten, dass …
 . . .  sie praktisch sind.

7. Das bislang schönste Erlebnis hatte ich bei Lose Dresden, als …
 . . .  sich meine Stammkunden in der Kaffeeecke plötzlich miteinander unterhielten und über die Welt philosophierten.  Aber auch, als schon erfahrene Kunden neuen Kunden wie ganz selbstverständlich das Einkaufsprozedere in unserem Laden erklärten, da ich gerade an der Kasse beschäftigt war.

8. Und richtig geärgert habe ich mich hingegen, als …
(so richtig geärgert habe ich mich eigentlich bisher zwar nicht) . . . vor einiger Zeit das Kassensystem kurz vor Feierabend komplett ausstieg und ich mit den im Laden verbliebenen Kunden Dreisatzaufgaben lösen musste. Das war schon recht mühsam.

9. Als Weltverbesserin würde ich mich dennoch nicht bezeichnen, weil …
. . .  es nicht mein Anspruch ist, die Welt zu retten, sondern weil es mir viel wichtiger ist, Dinge im Kleinen zu tun und Menschen im persönlichen Gespräch zum Nachdenken zu bringen.

10. Für die nächsten 1000 Tage wünsche ich mir, …
. . .  dass die Zahl der Stammkunden wächst! . . .  dass weiterhin täglich Neugierige vorbei schauen, sich von der Idee inspirieren lassen und dann vielleicht sogar wieder kommen und auch Stammkunden werden. . . .  dass dieses jetzt schon so wundervoll familiäre Verhältnis im Laden und zwischen den Menschen bestehen bleibt und noch intensiver wird! . . .  dass ich weiterhin zahlreiche Anfragen aus ganz Deutschland erhalte und um Rat gebeten werde, weil es Nachahmer gibt. . . .  dass der Schneeballeffekt größer und größer wird und damit wieder Hoffnung wächst.

Bildeindrücke aus dem verpackungsfreien Lebensmittelmarkt Lose Dresden

Berit Heller, <i>Lose Dresden</i>
Berit Heller, Lose Dresden

 

Wir danken Berit Heller für die Antworten.

 

 

 

 

Unverpackt einkaufen: Bulk Shopping

In den USA und Kanada aber auch den Niederlanden ist es weit verbreitet, Waren oder Lebensmittel nach Gewicht oder Menge zu kaufen. Bulk (=Masse) Shopping hat nicht nur den Vorteil, dass keine weiteren Umverpackungen nötig sind – der Kunde legt die Menge seiner Einkäufe außerdem selber fest. Lose Waren werden dafür in sogenannten Bulk Bins (bin=Kasten) eingefüllt, die Mittels entsprechender Dosiervorrichtungen wieder entnommen werden können.

Lose Dresden
Lose Dresden (Seit 01. April 2015)
Böhmische Straße 14
01099 Dresden
losedresden.wix.com

©Fotos: Lose Dresden

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