Buchvorstellung: »Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe«

»Auf der Reise über die Friedhöfe von heute« (2014)

»Das Buch erzählt von besonders hartnäckigen, humorvollen oder einfach kuriosen Beispielen, die sich auf bundesdeutschen Gottesackern dazu finden lassen, mit welch großem Widerstand sich der Mensch dagegen stemmt, restlos vergessen zu werden.«

Der Mensch hinterlässt zu Lebzeiten unablässig Reste – und wird irgendwann selbst zu einem solchen. Diese Perspektive mag der eine oder andere theologisch geschulte Leser für unter Umständen völlig unzulässig halten. Es geht schließlich um nichts weniger als um das »ewige Leben danach«, das uns ja – sterbliche Hülle hin oder her – gelegentlich in Aussicht gestellt wird. Solidarischer Beistand winkt aber auch aus dem Jenseits. Denn auch die zur letzten Ruhe gebetteten stemmen sich mit mehr oder minder großem Widerstand dagegen, restlos in Vergessenheit zu geraten. Von besonders hartnäckigen, humorvollen oder einfach kuriosen Beispielen, die sich auf bundesdeutschen Gottesackern dazu finden lassen, erzählt das knapp 240-seitige Büchlein »Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe« des Autorenpaares Benkel-Meitzler.

»An der Schnittstelle zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten« haben sich die beiden nämlich auf »Expeditionen zwischen Gräberreihen und Urnenwänden« begeben. Was als Friedhofsbegehungen zweier Soziologen mit dem Ziel »die gesellschaftliche Bedeutung des Friedhofs unter die Lupe zu nehmen« begann, endete also mit »Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe« und einer Vielzahl anderer Schriften (weitere Informationen unter: friedhofssoziologie.de). Um die 500 Friedhöfe haben Thorsten Benkel und Matthias Meitzler zu diesem Zweck besucht – und mindestens ebenso viele Fotografien angefertigt, von denen eine Vielzahl »auf der Reise über die Friedhöfe von heute« zu sehen ist. Diese sollen belegen, dass »der Friedhof mittlerweile von der Individualisierung eingeholt worden ist.« Dem Buch lässt sich jedoch fernab wissenschaftlich-soziologischer Deutungsversuche in aller erster Linie eines abgewinnen: Spaß bei der kurzweiligen Lektüre – trotz des ja unter Umständen unerfreulich wirkenden Themas.

Auf insgesamt 19 Kapiteln nehmen sich die Autoren unterschiedlichster Vorkommen hiesiger Grabplatten, -mäler und -inschriften an. Sie zeigen, dass es auf deutschen Friedhöfen nicht nur zuweilen bewegt und sportlich zugeht (»Dein letztes Match hast Du verloren«). Auch Haustiere wachen gelegentlich über Herrchens letzte Ruhestatt. Nicht nur die Kreativität beim Ausloten von Grenzen der doch eher strengen Friedhofsordnungen überrascht – der menschliche post mortem-Mitteilungsdrang tut es gleichermaßen. Das bietet den Autoren genügend Raum, sich der sepulkralen Materie sowohl in kurzen Kapiteleinleitungen als auch in den Bildunterschriften humor-, aber stets würdevoll, zu nähern. In vielen Fällen hätte es allerdings nicht – und das sowie die nicht immer hochwertigen Fotografien seien hier als einzige Kritik zu nennen – der teils um Wort- und Sprachwitz ringenden Bildunterschriften bedurft. Schließlich sprechen viele der Inschriften und Grabfiguren eine in großen Teilen eigenständige und situativ bedingt schon überzeugende Sprache. Dafür dass aber auch diese irgendwann verstummen wird, sorgt indes die auf deutschen Friedhöfen vorgesehene Ruhezeit von knapp 30 Jahren. Wer jetzt noch Trost sucht und sich an der vorhandenen Ausgabe satt gesehen hat, darf sich aber auf das in Kürze erscheinende Nachfolgewerk »Game over« freuen.

 

RSTKLTR-Gestatten-sie-dass#2Thorsten Benkel, Matthias Meitzler
Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe
Ungewöhnliche Grabsteine – Eine Reise über die Friedhöfe von heute
Taschenbuch, 240 Seiten
KiWi, 2014
Preis € (D) 8,99
ISBN: 978-3-462-04608-3

©Coverabbildung: KiWi

ME für magazin-restkultur.de | © Magazin für Restkultur 2015

 

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