Cradle to Cradle: Im Gespräch mit Michael Braungart

RSTKLTR_SPEZIAL

Einmal im Jahr lenkt die Europäische Kommission in einer Schwerpunktwoche die Aufmerksamkeit auf Abfallvermeidung und Müllreduzierung. Zahlreiche Initiativen, die wir in jüngerer Zeit auf Magazin für Restkultur vorgestellt haben, zeugen aber auch davon, dass ein bewusster Umgang mit Ressourcen vielschichtig und ganzjährig gedacht werden kann. Zur europäischen Woche zur Abfallvermeidung vom 22. bis 30. November 2014 stellen wir daher ausgewählte Magazin für Restkultur-Beiträge vor, die besondere Restvermeidungs- und -minimierungsstrategien aufzeigen. Alle Beiträge: Spezial europäische Woche zur Abfallvermeidung.

#5 | Zum Abschluss unserer Serie zur Europäischen Woche zur Abfallvermeidung 2014 lassen wir Michael Braungart zu Wort kommen. Der Mitbegründer von Cradle to Cradle (C2C) sprach mit uns vor einiger Zeit darüber, warum mit C2C Abfall im heutigen Sinne schließlich gar nicht erst entsteht. 

»Ein Produkt, das auf dem Müll landet, ist einfach ein schlechtes Produkt.«

[04|14] Michael Braungart hat mit seinem Buch Cradle to Cradle, das er zusammen mit dem amerikanischen Architekten William McDonough im Jahr 2002 verfasst hat, neue Anstöße zur intelligenten Nutzung von Ressourcen gegeben. Nach dem Cradle to Cradle-Prinzip entstehen nach dem Ende eines Produktlebens nämlich gar keine Reste im eigentlichen Sinne, sondern Nährstoffe, die in den Verwertungskreislauf zurückgeführt werden. Ein Prinzip übrigens, das sich eines großen weltweiten Zuspruchs erfreut, in Deutschland hingegen nur zögerlich umgesetzt wird. In einem Gespräch erklärt uns Professor Braungart die Grundzüge von Cradle to Cradle (C2C = von der Wiege bis zur Wiege) und warum wir uns in einem Wettlauf mit der Zeit befinden.
+ Zur Person
MICHAEL BRAUNGART,
Entwickler Cradle to Cradle

RSTKLTR_MB-by-Edith-Stenhuys
  • Prof. Dr. Michael Braungart (56), Hamburg
  • Mitentwickler von Cradle to Cradle
  • Bücher:
    Cradle to Cradle (2002)
    The Upcycle: Intelligente Verschwendung (2013)
  • Professur an der Erasmus-Universität Rotterdam
  • Gastprofessur an der University of Virginia
  • Reste sind für ihn: Das Beste
    ©Foto: Edith Stenhuys mit freundlicher Genehmigung Michael Braungart

Essbare Bezugsstoffe

Wie sich das Cradle to Cradle-Prinzip (C2C) anschaulich erklären lässt, möchte ich am Anfang unseres Gespräches wissen. Professor Michael Braungart bringt es am Beispiel seines letzten Buches Neue intelligente Verschwendung auf den Punkt: „Es ist das erste Buch in der Menschheitsgeschichte, das es erlaubt, im Ofen verbrannt zu werden und die Asche in den Garten zu verstreuen. Dafür haben wir 21 Jahre lang gearbeitet“. Das geht mit anderen Büchern nicht? Nein, denn: „Die Asche eines normales Druckerzeugnisses ist so giftig, dass sie nicht in die Landwirtschaft kann“, so Braungart. Wir können aber beruhigen: Verbrennen wollen wir das Buch ohnehin nicht – wir haben es gelesen, um zu verstehen, dass Reste gar keine Reste, sondern (so der Cradle to Cradle-Ansatz) Nährstoffe sind, die in einem unendlichen Kreislauf die Grundlage für Neues bieten.

Um Cradle to Cradle zu begreifen, muss man sich jedoch außerdem mit einigen theoretischen Grundzügen befassen: „Wir unterscheiden bei Cradle to Cradle zwischen der Bio- und der Technosphäre“, erläutert Braungart. „Dinge, die verstreichen, die kaputt gehen, werden der Biosphäre zugeordnet, während die Dinge, die nur genutzt werden, wie Waschmaschinen und Fernseher zu der Technosphäre gezählt werden und dort endlos eingesetzt werden könnten“. Das setzt allerdings voraus, dass die Produkte bereits bei der Herstellung nach diesem Prinzip entwickelt und produziert werden. „Ein weiteres gutes Beispiel zur Vermeidung von Resten sind Sofa- und Stuhlbezüge“, beschreibt Braungart. „Wenn ein herkömmliches Sofa oder eine Couch hergestellt werden,  sind die Bezugsstoffe und Stoffverschnitte später so giftig, dass sie als Sondermüll verbrannt und die Asche unter Tage gelagert werden muss. Was wir machen? Wir planen für den Rest. Wir planen zum Beispiel, dass die Stoffverschnitte als Torfersatz in Gärtnereien verwendet werden können. Dadurch vermeiden wir nicht nur giftige Reste – der Arbeitsschutz wird schon bei der Herstellung viel einfacher.“ Werden die so erzeugten Produkte dadurch nicht teurer? Weit gefehlt: Sie seien sogar bis zu 20 % günstiger, da schließlich über alle Produktstationen hinweg, beispielsweise beim Arbeitsschutz, Zeit und Personal gespart werden könne. Gespart werde auch bei der Entsorgung, denn schließlich würden weder Filter noch Verbrennungsanlagen benötigt.  Und: „Die Stoffbezüge sind praktisch essbar“.

Der Rest – in anderen Medien

24.06.23

Lebensmittel

Groß-Gerau (Hessen): Mit ihrem Verein „Essen für Alle“ sammelt Sylvia Schneider aussortierte Lebensmittel und verteilt sie an Menschen

08.11.21

»TAUSENDE TONNEN CORONA-MÜLL LANDEN IM MEER«

»Forscher haben berechnet, dass allein bis August 2021 8,4 Millionen Tonnen pandemiebedingter Plastikmüll angefallen sind. (...)«

21.01.20

»Schöner Wohnen mit Schrott«

»Ob Fußboden, Raumteiler, Stuhl oder Ziegel – immer mehr Designer tüfteln an neuen Werkstoffen aus Abfall. Selbst Urin wird zur Ressource. (…)«

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.