
»Nächstes Mal gründlicher recherchieren.«
– Hindia Kiflai-Monim (Daily Rewind) im Gespräch mit Magazin für Restkultur –
Wer austeilt, muss auch einstecken können, sind wir der Überzeugung. Daher kommen wir im Nachgang zu unserer Kritik an »Daily Rewind« (siehe Infokasten) verabredungsgemäß auch mit der Initiatorin Hindia Kiflai-Monim ins Gespräch.
In »Fünf Fragen an …« lassen wir die Radiojournalistin Stellung zu unserem vor knapp drei Wochen erschienenen Artikel 365 Tage Rückwärts beziehen. Darin hatten wir auf die – in unseren Augen zum Teil missverständlichen – Zeichen hingewiesen, die die Initiative »Daily Rewind« setzt. Die Folge war eine kontrovers geführte Debatte insbesondere in den sozialen Medien, die auch uns nachdenklich gemacht hat. Liegen wir mit unserer Annahme falsch, dass Second Hand per se ja nicht als nachhaltig bezeichnet werden kann? Oder kann der Konsum- und Kauflust mit Kleidung aus zweiter Hand tatsächlich ein Unbedenklichkeitslabel verliehen werden? So oder so: Wir freuen uns nicht nur darüber, eine Debatte angestoßen zu haben, sondern uns auch den Argumenten Kiflai-Monims zu nähern.
Magazin für Restkultur: Vor einigen Tagen erschien auf unserer Seite die Kritik 365 Tage Rückwärts. Hier haben wir uns wenig überzeugt von Deiner Initiative »Daily Rewind« gezeigt. Was hat Dich daran besonders geärgert?
Hindia Kiflai-Monim: Zunächst einmal habe ich mich sehr gefreut, dass ihr euch mit dem Blog befasst habt. Ich hätte mir allerdings eine gründlichere Recherche gewünscht. Ihr hättet mir im Vorfeld zum Beispiel Fragen stellen oder die Interviews lesen können, die ich zum Blog gegeben habe. Offensichtlich wirft mein Selbstversuch Fragen auf, die andere bereits gestellt haben und deren Antworten auch öffentlich zugänglich sind*. Aber im Grunde genommen, haben wir unterschiedliche Blickweisen.
Welche unserer Kritikpunkte sind für Dich denn gar nicht nachvollziehbar?
Ich zitiere aus eurem Artikel: »(…) Wären da nicht nur der mediale Hype, den die Ex-Modejunks auslösen und die seltsamen Blüten, die das Ganze treibt. Beschlossen hat die Modeliebhaberin übrigens ja nicht, auf Kleidung oder Konsum schlechthin zu verzichten, sondern lediglich den Dealer zu wechseln.« Ich bin verwundert über den vermeintlichen medialen Hype und die seltsamen Blüten. Was genau ist damit gemeint? Beides sind emotionale Zuschreibungen, die ein negatives Gefühl dem Blog gegenüber auslösen, die jedoch nicht belegt oder erklärt werden.** Fakt ist, dass Nachhaltigkeit ein zur Zeit sehr präsentes Thema ist, das in seinen vielen Facetten die Menschen interessiert. Ich halte es daher nicht für verwunderlich, dass sich einige Medien für den Blog interessieren und meine – eher undogmatische und in Teilen auch unkonventionelle – Art mit dem Thema umzugehen, vorstellen möchten. Ich habe mich ja bewusst gegen einen strikten Konsumverzicht entschieden. Ich komme vom Jugendradio, wo ich seit Jahren Radio für junge Leute mache. Für mich lag es da nahe, dass ich mit meinem Blog auch junge Menschen ansprechen möchte. Denn die kaufen sehr viel Kleidung ein und sind – so vermute ich – in weiten Teilen gegenüber nachhaltiger Mode eher skeptisch eingestellt und halten diese für zu teuer, unstylish oder auch für nicht cool genug. Ich möchte unterstreichen, dass nicht alle jungen Menschen dazu zählen, aber doch eine Mehrheit, so meine Vermutung. Um sie anzusprechen, erhebe ich eben nicht den Zeigefinger und fordere nicht zu etwas auf, dass in ihrer Lebenswelt gerade überhaupt kein Thema ist. Anstatt dessen versuche ich sie dort abzuholen, wo sie sind: Sie haben Bock auf Mode. ->
–> Mit meinem Selbstversuch möchte ich aufzeigen, dass diese Lust auf Mode nicht nur durch die üblichen Verdächtigen gestillt werden kann, sondern dass es auch noch eine coole, stylishe und eben in meinen Augen auch NACHHALTIGE Alternative gibt: Secondhand-Kleidung! Oft begegne ich Menschen, die sagen, dass es überhaupt keine Kunst sei, sich nur in Secondhand-Kleidung zu kleiden. Und sie haben recht: Es ist keine Kunst. Es wird zur Kunst, wenn man es täglich macht, um junge Menschen davon zu überzeugen; wenn man die Message, die diese Menschen offensichtlich schon seit langem verstanden haben, weiterträgt und jene versucht zu erreichen, die noch nicht an diesem Punkt des Nachhaltigkeitsbewusstseins angekommen sind.
Gibt es aber auch den einen oder anderen Standpunkt von uns, der für Dich verständlich ist …?
Ich kann einige Standpunkte verstehen. Aber wie ich schon sagte: Es geht mir darum, die zu erreichen, die mit dem Nachhaltigkeitsgedanken nichts am Hut haben, aber in einer Phase ihres Lebens sind, in der sie noch viele Klamotten kaufen. Wenn sie anfangen, über ihren Konsum nachzudenken, habe ich mein Ziel schon erreicht. Die Frage, ob die Kleidung der unterschiedlichsten Bekleidungskonzerne dadurch nachhaltig wird, dass sie Secondhand ist, ist berechtigt und wird ja kontrovers diskutiert. Mein Standpunkt dazu: Für mich ist das Kleidungsstück nachhaltig, das nicht neu produziert werden muss. Die Gefahr, dass man sich Kleidung dieser Hersteller kauft und sagt »ich gebe es einfach weiter, dadurch wird es nachhaltig«, erkenne ich auch. Wenn fabrikneu gekauft wird, ist natürlich ein Kleidungsstück der diversen Anbieter nachhaltig gefertigter Kleidung – oder aber gar nichts kaufen – die bessere und nachhaltige Wahl. Dennoch ist es ja mein Anliegen, eine junge Zielgruppe zu sensibilisieren und zu einen bewussteren Konsum von Kleidung zu bewegen. Und Secondhand-Kleidung ist meiner Ansicht nach eben eine nachhaltige Alternative.
Hat unser Beitrag möglicherweise aber auch etwas bei Dir verändert?
Ihr habt mich zum Nachdenken gebracht. Ich denke, dass wir von unterschiedlichen Dingen ausgehen. Leute, die Spaß an Shopping und Mode haben zu erreichen und mit immer neu kombinierten Outfits zum Umdenken zu animieren, bleibt weiterhin mein Ziel. Im übrigen trage ich etliche Dinge auch mehrmals, um zu zeigen, dass es gar nicht viele Klamotten braucht, sondern nur etwas Kreativität, um die vorhandenen Sachen anders zur Geltung zu bringen.
Das letzte Wort gehört Dir, Hindia: Deine Kritik an Magazin für Restkultur?
Super, dass Ihr die Diskussion in Gang gebracht habt. Nächstes Mal gründlicher recherchieren.
Wir danken Hindi Kiflai-Monim.
Anm. Magazin für Restkultur:
*Hindia bezieht sich hierbei unter anderem auf die folgenden Interviews, die wir nicht/nur partiell berücksichtigt haben: »Ein Jahr ohne Kleidung« (faz.net, 01.02.2015) | »Obama im Vintage-Anzug wäre der Knaller« (welt.de 31.12.2014). Unabhängig davon sehen wir es dennoch als legitim an, Kritik an Daily Rewind zu üben. Diese gründet übrigens ja hauptsächlich auf die im Blog Daily Rewind getroffenen Aussagen.
**Eine in unseren Augen plausible Kritik, denn tatsächlich haben wir es bei eben dieser emotionalen Zuschreibung belassen und keine Belege angeführt. Deshalb: Den medialen Hype sehen wir in der unserer Auffassung nach zu undifferenzierten Berichterstattung, die ja außer Acht lässt, dass auch diese Second Hand-Kleidung zunächst produziert und deshalb noch lange nicht nachhaltig ist, weil sie vielleicht wenig/gar nicht getragen wurde.
Vom 01.01 bis zum 31.12.2015 stellt die Frankfurter Journalistin und Bloggerin Hindi Kiflai-Monim täglich Kleidungskollektionen auf dailyrewind.de vor, für die überwiegend Second Hand-Ware zum Einsatz kommt. „Cool aussehen geht auf jeden Fall auch in alten Klamotten“, schreibt die begeisterte Modeliebhaberin dort. Für Bio und total fair fehle ihr jedoch das Budget, weshalb sie auf das in ihren Augen nachhaltige Einkleiden mit Gebrauchtware setzt. Ihre Aktion hat eine außerordentlich große Beachtung in zahlreichen Medien gefunden und ihr einen enormen Zulauf auch in den sozialen Medien beschert. In einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk (dailyrewind.de) äußert sich Kiflai-Monim außerdem ausführlich zu ihren Beweggründen.
Reste sind für sie: Oft eine tolle Basis für den kommenden Tag.