Fünf Fragen an …
Stefan Schridde (Murks? Nein Danke!)

»Muss ich eigentlich kaufen? Und wenn ja: Muss es unbedingt neu sein?« 

– Stefan Schridde im Gespräch mit Magazin für Restkultur –

Fünf Fragen an …
… Stefan Schridde (Murks? Nein Danke!)


[10|14] Computer, die kurz nach Ablauf ihrer Garantiefrist ihren Dienst versagen, sind ein Ärgernis. Und wenn ausgerechnet die am stärksten belasteten Bauteile bestimmter Gartenstühle auffällig schwach konstruiert sind, ist von gemütlicher Stimmung auch keine Rede mehr. Der digitale Zähler schließlich, der bei Druckköpfen von Haushaltsdruckern dazu führt, dass sie nach einer festgelegten Anzahl von Ausdrucken streiken, erfreut auch niemanden so richtig – außer vielleicht die Hersteller. Denn: Kürzere Produktlebenszyklen führen dazu, dass Produkte (trotz zunehmend wachsender Müllberge) frühzeitig entsorgt oder ersetzt werden. Doch dagegen hat Stefan Schridde etwas: Seit knapp zwei Jahren begehrt er gegen jene Fabrikate auf, die versteckte oder offenkundige Design- und Konstruktionsmängel aufweisen – sprich: Auf sogenannten „geplanten Verschleiß“ schließen lassen. Auf der von ihm gegründeten Mitmach-Plattform Murks? Nein, Danke! ruft er deshalb dazu auf, Beispiele für mangelhaft gefertigte Haushaltselektronik oder Gebrauchsgüter einzusenden. In diesen Tagen erscheint außerdem sein gleichnamiges Buch. Wir hatten Gelegenheit, Stefan Schridde auf der Frankfurter Buchmesse fünf Fragen rund um sein neues Werk zu stellen – und haben wie immer auch um eine Frage an uns gebeten.

Zur Person
STEFAN SCHRIDDE
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  • Stefan Schridde, Berlin
  • Diplom-Betriebswirt
  • Initiator der Plattform Murks? Nein Danke! 
  • Reste sind für ihn: Wartendes.
    ©Foto: Mit freundlicher Genehmigung Stefan Schridde


 

1. Herr Schridde, was erwartet die Leser von Murks? Nein Danke! und welchen Erfolg erhoffen Sie sich von Ihrem Buch?

Das Buch selbst ist ein Aufklärungsbuch und ist dem Umstand geschuldet, dass ich vielen, vielen Gespräch entnommen habe, dass Menschen entmutigt sind. Sie glauben, man könne nichts machen. Andererseits habe ich aber auch viele Nebelkerzenwerfer kennengelernt, die behaupten, es ginge nicht anders: „Wenn Dinge lange halten, dann gehen wir alle pleite“ und dergleichen mehr höre ich oft. Deshalb war es mir wichtig zu beschreiben, was geplante Obsoleszenz tatsächlich ist. Sie ist ja nicht nur Arglist, sondern auch eine durch Rendite-Gier getriebene Systemkrankheit, die durch zum Teil falsche Ziele in der Betriebswirtschaftslehre gefördert wird. Diese Zusammenhänge muss man aber erst verstehen und leicht verständlich lesen können, um einen breiten öffentlichen Diskurs dazu zu bekommen. Kurzum: Es ist ein leicht verständliches Buch, das erklärt, woher der Murks kommt und zum eigenen Nachdenken und Handeln befähigt. Außerdem zeige ich darin auf, welche Einflussmöglichkeiten jeder Einzelne, aber auch Marktbeobachter, Politiker und die NGOs auf den Mythos „Wegwerfgesellschaft“ haben. Denn auch mit diesem Bild räume ich auf: 80 Prozent der Menschen wundern sich doch über die Innovationsschlachten in den Regalen und sind nicht davon überzeugt , dass unser Wohlstand davon abhängt, dass wir immer größere Müllhaufen produzieren.

2. Das Buch trägt den Untertitel „was wir tun können, damit die Dinge besser werden“ – was können wir denn tun? Zu wünschen bleibt ja, dass viele Hersteller und Produktgestalter sich diese Frage stellen ...

Die geplante Obseleszenz, um die es mir geht, ist ein äußerst komplexes Phänomen. Es gibt eine Produktprozess- und Methodenebene, aber auch eine moralische Dimension – doch für jede dieser Möglichkeiten gibt es auch einen Lösungsansatz. Ein Beispiel: Sie kaufen einen Handmixer mit einem sogenannten Kurzzeitbetrieb, der nach drei Minuten dazu führt, dass das Gerät zehn Minuten Pause braucht. An sich schon seltsam, denn das hat es früher nicht gegeben, doch auf einmal hat man es eingebaut. Das will man doch als Einkäufer vorher wissen! Oder: Bei vielen Produkten kann man schon nach zwei Jahren keine Ersatzteile mehr kaufen – da kann man doch nicht von Langlebigkeit sprechen. Ein weiteres Beispiel sind verklebte Produktgehäuse, die kein Eingreifen mehr ins Innere zulassen. Hier muss eine Kennzeichnungspflicht her wie „Vorsicht: Verklebte Gehäuse“ oder „Achtung: Kurzzeitbetrieb“. Eine viel einfachere Lösung wäre aber, wenn es ein Gesetz schlichtweg verbietet, Gehäuse zu verkleben und zur Pflicht machen würde, Schrauben zu verwenden, die mit marktgängigen Schraubendrehern gelöst werden können. Bei vielen Dingen brauchen wir keine Innovation, sondern eine Renovation – denn der Schritt zurück in Zeiten, in denen Produkte so gefertigt waren, dass Reparaturen möglich waren, ist doch nicht immer schlecht, oder? Aber jede Einzelne kann sich fragen: „Muss ich eigentlich kaufen und wenn ja, muss es unbedingt neu sein?“ Bedenken sollten wir außerdem, dass wir die wirklich schönen Momente  in unseren Leben nicht mit Geld kaufen – sondern mit Zeit! Interessant ist ja auch, dass wenn die Unternehmen ihr Geschäftsmodell ändern und ihre Angst vor dem Pleitegang nicht schüren, dazu ermuntern können, nicht mit  unseren Ressourcen so verschwenderisch umzugehen!

3. Über welches Produkt haben Sie sich bislang am meisten geärgert?

Wenn ein bekanntes schwedisches Möbelhaus in seine aktuelle Lampen die LED-Leuchtkörper fest verschweisst, dann finde ich das sehr ärgerlich. Das hat nichts mehr mit der Designfreiheit der Hersteller zu tun, sondern ist schlichtweg ein Beispiel für geplante Obsoleszenz. Hier ist ein Gesetzgeber gefordert, der klare Vorgaben macht. Verkleben geht nicht und Verschleißteile müssen austauschbar sein. Punkt.

4. Gibt es in Ihrem Buch ein besonders markantes Beispiel dafür, wie Produkte so gestaltet werden können, dass sie angemessen lange halten?

Das beste Beispiel halte ich gerade in der Hand: Das Fairphone*. Das ist zwar nicht ganz optimal, aber schon nah dran. Es fängt damit an, dass es ein Produkt ist, beim dem sich Menschen aus der Mitte der Gesellschaft einige Gedanken gemacht haben. Beispielsweise sollen soweit wie möglich keine Krisenmetalle drin enthalten sein. Es ist außerdem sehr stabil gebaut und der Akku kann natürlich entnommen werden. Aufgrund der Metallplatte im Boden hat das Gerät zudem eine bessere Akustik. Mit zwei SIM-Karten-Steckplätze ist es auch gleich im asiatischen Markt einsetzbar und alle Innenteile sind so verschraubt, dass ich sie mit handelsüblichem Werkzeug lösen kann. Im Notfall kann ich alle verbauten Einzelteile ganz einfach austauschen und auch beim Betriebssystem und bei den nutzerfreundlichen Features punktet es. Das Wichtigste aber: Das Gerät beweist, dass wir als Bürger in der Lage sind, nicht nur Forderungen an die Hersteller zu stellen, sondern es im Zweifel auch selber zu machen.

5. Sind Beispiele für Produkte bekannt, die aufgrund von Murks? Nein Danke! nachgebessert wurden?

Wahrscheinlich sind noch keine Produkte nachgebessert worden, aber: Auf unsere Initiative führe ich es zurück, dass beispielsweise in der Werbung der Begriff der Haltbarkeit zum Beispiel bei Rasierklingenwerbung eingeführt worden ist. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hat mich außerdem zu Gesprächen eingeladen, in denen ich kritisch Stellung zu einer Vielzahl von Themen nehmen kann.

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Die Frage an uns
Wann immer möglich, bitten wir in unseren Gesprächen auch um eine Frage an uns – und machen den Interviewten kurzerhand zum Interviewer. Was wollen unsere Gesprächspartner über Magazin für Restkultur erfahren? Vielleicht sind es ja die gleichen Dinge, die auch unsere Leser von uns gerne wissen möchten. Die bisher gestellten Fragen – und unsere Antworten – sind unter Fragen an uns zu finden.
Stefan Schridde (Murks? Nein Danke!) fragt:
Inwiefern hat Magazin für Restkultur tatsächlich mit Kultur zu tun?
Wir denken im Sinne von Kultur an einen Ort, an dem wir den oft negativ konnotierten Restbegriff in einen anderen Kontext setzen. Dafür porträtieren wir den vielleicht hässlichen Rest ebenso wie die Reste, die sexy sein können – und zeigen die Bandbreite des Restes in allen ihren Erscheinungsformen. Und was klar ist: Dem Rest wohnt der Anfang (Stichwort Ressourcennutzung) sehr oft inne! Restkultur ist in diesem Sinne tatsächlich der Versuch, einer kulturellen Neuverortung des Restebegriffs – ohne wohlgemerkt, eine dogmatisch-vereinnahmende Haltung einzunehmen!»Fünf Fragen an Stefan Schridde, 11|2014«
 

 

Wir bedanken uns für das freundliche und ausführliche Gespräch.

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Stefan Schridde: Murks? Nein Danke!
Was wir tun können, damit die Dinge besser werden
Oekom Verlag 2014
Taschenbuch 256 Seiten
19,95 EUR/20,60 EUR (A)/CH 27,90.
Auch als E-Book erhältlich
ISBN 9783865816719

 

* Wir halten es für vertretbar, das von Herrn Schridde vorgestellte Gerät auch beim Namen zu nennen, weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass wir weder gezielt Werbung dafür machen noch eine bestimmte bevorzugende Aussage oder Produktempfehlung damit treffen wollen.
ME für magazin-restkultur.de | © Magazin für Restkultur 2014

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